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„Eine Pleite wie eine Atombombe“

Schulden in Höhe von umgerechnet 40 Milliarden Mark zwingen Japans viertgrößtes Wertpapierhaus zur Aufgabe der Geschäftstätigkeit. Das Aktienhandelshaus Yamaichi war auch in den USA sehr aktiv  ■ Aus Tokio André Kunz

Der bisher größte Krisenfall für Japans Finanzwesen brach am Wochenende über das Land herein. Das viertgrößte Wertpapierhaus des Landes, Yamaichi Securities, ist unfähig, einen Schuldenberg von 40 Milliarden Mark abzutragen. Am Samstag entschied die Yamaichi-Geschäftsleitung, nach 100 Jahren im Wertpapierhandel die Geschäftstätigkeit freiwillig einzustellen. Die Rekordpleite hat neue Zweifel an der Stabilität der japanischen Finanzindustrie geschürt und schockte die 10.000 Angestellten, die mit der Entlassung rechnen müssen.

„Es ist wie eine Atombombe für Japans Wertpapierhandel“, sagte Goro Tasumi, der Regionalchef der japanischen Wertpapierhändlervereinigung. „Die Auswirkungen auf die Finanzindustrie und die Wirtschaft des Landes werden immens sein.“

Die finanziellen Probleme von Yamaichi hatten sich in den vergangenen Monaten exponentiell zugespitzt. Der Börsencrash von Tokio in der vergangenen Woche hat dem Haus dann den Rest gegeben. Die Verbindlichkeiten der gesamten Yamaichi-Gruppe sollen sich gemäß Branchenexperten sogar auf enorme 6,7 Billionen Yen (rund 90 Mrd. DM) belaufen. Diese verteilen sich auf 40 Zweigfirmen im Investment- und Finanzgeschäft in Übersee und Japan. Zwar versicherte die Geschäftsleitung, daß das Vermögen der Gruppe ausreiche, um die Verbindlichkeiten zu decken. Doch daran zweifeln Branchenexperten. In Alarmzustand sind auch Japans Notenbank und das Finanzministerium, die Kontakt mit den USA aufgenommen haben, wo Yamaichi stark im Geschäft mit US- Staatsanleihen ist. Japans Notenbank hat bereits zugesichert, Milliardenbeträge in den kurzfristigen Geldmarkt zu pumpen, um Turbulenzen in den USA zu verhindern.

Die neue Unsicherheit im japanischen Finanzsystem ist in diesem Monat mit drei Riesenpleiten wieder akut geworden. Erst vor einer Woche brach die zehntgrößte Geschäftsbank Hokkaido Takushoku zusammen. Die Spätfolgen der spekulativen Seifenblasenkonjunktur Ende der achtziger Jahre lasten mit geschätzten 500 Milliarden Dollar (ca. 870 Mrd. DM) faulen Krediten schwer auf dem japanischen Finanzsystem. Nach dem erneuten Börsencrash in diesem Monat kämpfen die schwächeren Geldinstitute des Landes mit Liquiditätsproblemen: der Pleitegeier kreist.

Ins Zwielicht ist Japans Wertpapierindustrie auch wegen des weitläufigen Skandals um einen Firmenerpresser geraten, in den auch Yamaichi verwickelt war. Dem Hause drohen deshalb auch strafrechtliche Konsequenzen. Außerdem hat das Finanzministerium herausgefunden, daß Yamaichi rund 2,7 Mrd. Mark Schulden mit buchhalterischen Tricks in Tochterfirmen auf den Cayman-Inseln versteckt hatte. Dies ist nicht nur in Japan, sondern auch in den USA ein Straftatbestand, der bereits untersucht wird.

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