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Heilsamer Quickie

Öfter mal ein Viertelstündchen: Experten raten zum Nickerchen am Arbeitsplatz  ■ Von Lisa Schönemann

Ein Schläfchen in Ehren kann niemand verwehren? Denkste! Das Nickerchen ist in der modernen Streßgesellschaft derart verpönt, daß das kleine Schlafbedürfnis zwischendurch höchstens heimlich befriedigt wird. Doch jetzt haben ExpertInnen dem Immer-Wach-Wahn den Kampf angesagt: SchlafforscherInnen und PsychologInnen fordern energisch zum kollektiven Quickie auf dem Schreibtisch oder der Hobelbank auf.

Die Extraportion Schlaf, so der Tenor einer Mitteilung des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen, sei fest in unserem Biorhythmus verankert. Statt „Augen auf und durch“gilt jetzt: Auf in Morpheus' Arme, der Gott des Schlafes wird's schon richten. Nicht vergessen: vorher die Parkscheibe an der Tür mit dem Hinweis „blaue Pause“auf zwanzig Minuten einstellen.

Mehrere Turbominischläfchen tragen dazu bei, daß sich das Schlafbedürfnis während des restlichen Tages verringert: Wer sich während der Arbeitszeit nach einem ausgeklügelten System der „Augenpflege bei geschlossenen Lidern“bedient, darf abends in die Spätvorstellung gehen ...

Ein kurzer Ausflug ins Reich der Träume hat nachgewiesenermaßen eine länger anhaltende Wirkung als ein Espresso. Was auch ArbeitgeberInnen aufwachen lassen dürfte: Der vermeintlich unproduktive Penner ist nach seinem horizontalen Intermezzo im Gegenteil so auf Zack, daß er um 15 Prozent schneller schaltet als ein nimmermüder Workaholic. Die Experten schreiben dem Nickerchen am Arbeitsplatz eine verbesserte geistige Leistungsfähigkeit, Gemütsverfassung und Gedächtnisleistung zu.

Heute steht sogar fest, daß die meisten Tiere – vom Maultier über Elch und Bär bis hin zur Fledermaus – diesen Schlafstil pflegen. Sie legen eine große und eine kleine Auszeit ein. Was auch wir täten, wenn man uns denn ließe: Experimente haben bestätigt, daß der Mensch in einem unterirdischen Bunker mit traumwandlerischer Sicherheit am frühen Nachmittag in einen kurzen Schlummer versinkt. Das spontane Mittagsschläfchen braucht deshalb nicht länger mit der Zementmasse aus dem Kantinentopf begründet zu werden.

Vorgesetzten, die sich mit der Umsetzung neuer Erkenntnisse schwer tun, kann mit einem Hinweis auf Leonardo da Vinci auf die Sprünge geholfen werden: Das Universalgenie sagte sich im Abstand von vier Stunden: „Nur ein Viertelstündchen...“

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