Niederlage für Dayton

■ Extremisten siegen bei den Wahlen in der bosnischen Serbenrepublik

Die internationale Strategie zur Umsetzung des Abkommens von Dayton scheint nicht aufzugehen. Mit dem sich abzeichnenden knappen Wahlsieg der Extremisten der Karadžić-Partei und der Radikalen Partei – der Anhänger des Tschetnikführers Vojislav Šešelj – ist die Integration des Serbenstaates auf bosnischem Boden in den Gesamtstaat schwieriger geworden. Die massiven Investitionen in Biljana Plavšić scheinen vergeblich gewesen zu sein.

Daß die Strategie Zuckerbrot und Peitsche nicht zum Erfolg führte, hat auch mit einer Fehleinschätzung der serbisch-bosnischen Bevölkerung zu tun. Die Klage nämlich, daß „Irrationalität“ die Oberhand behalten habe, obwohl die Propagandasender aus Pale abgeschaltet wurden und obwohl mit Finanzhilfen für die Wirtschaft und Erleichterungen für den Reiseverkehr gelockt wurde, greift zu kurz. Die serbische Bevölkerung hat wie bei allen Wahlen zuvor ihre jeweiligen örtlichen Machthaber gewählt. Denn überall, wo Polizei und Staatsgewalt weiterhin der Führung in Pale gehorchen, hat diese die Oberhand behalten.

So rächt sich jetzt, daß die internationale Gemeinschaft bei dem Versuch, die Machtstrukturen der Extremisten zu zerstören, auf halbem Wege stehengeblieben ist. Daß man den Extremisten in Brčko sowohl bei den Kommunalwahlen wie bei der Umstrukturierung der Polizei nachgab, daß man die recht starke Opposition in der ostbosnischen Stadt Bijeljina im Stich ließ, daß die Kriegsverbrecher nach wie vor Fäden ziehen dürfen, wirft ein Schlaglicht auf die Halbherzigkeit der internationalen Politik.

Mit dem Erfolg bei den „fair und demokratisch“ (OSZE) abgelaufenen Wahlen können sich die Karadžić-Anhänger und die Radikalen nun sogar als demokratisch legitimierte Vertreter des serbischen Volkes profilieren. Daß Biljana Plavšić jetzt erwägt zurückzutreten, fordert neue Planungen von den internationalen Strategen. Der Hinweis, daß in Westbosnien, wo Plavšić herrscht, tatsächlich ein demokratischer Prozeß eingetreten ist, reicht nicht mehr aus, um so weiterzumachen wie bisher. Mit dem Wahlsieg der Extremisten steht das Abkommen von Dayton nun erneut auf dem Spiel. Das Mandat der internationalen Gemeinschaft muß erweitert werden, um die gesteckten Ziele doch noch zu erreichen. Erich Rathfelder

Bericht Seite 10