„Autistische und unfähige Geschäftsführung“

■ In eigener Sache: In der Redaktion der taz hamburg sollen zwei Stellen abgebaut werden, weil die Erlöse per Federstrich einfach runtergerechnet werden. Die Kündigungen wurden bereits verschickt.

Die Geschäftsführer der tageszeitung Karl-Heinz Ruch und Andreas Bull haben es eilig. Ob das Telefon klingelt und ein Hamburger Lokalredakteur Näheres zu seiner Kündigung wissen will, kann kurz vor Mittag keine Rolle spielen: Mit den vom Betrieb großzügig ausgegebenen Essensmarken in der Hand hasten die beiden Manager zum Nobel-Italiener im Hause der Berliner taz-Zentrale Sale e tabacchi. Denn heute steht lecker „Fettucini alla Salmone“auf der Speisekarte.

Ob man die Essensmarken für die 140 Berliner MitarbeiterInnen im Wert von rund 150.000 Mark pro Jahr nicht einsparen könnte, um die beiden in Hamburg gestrichenen Redaktionsstellen zu retten? „Ach, nein“, sagt Ruch der aufgebrachten Hamburger Redaktion während eines Besuchs in der Hansestadt. 99 Prozent der Redakteure in der Berliner Zentrale seien sowieso gegen die Lokalteile. Und Hamburg müsse eben sparen. Zwei Redakteuren, die erst im April von derselben Geschäftsführung eingestellt wurden und eigens aus anderen Städten hierherzogen, flatterte kurz vor Beginn des Kündigungsschutzes die Entlassung ins Haus.

Die Hamburger könnten aber auch selbst sparen und jemand anderen rausschmeißen, sagten Ruch und Bull. Für Vorschläge sei man völlig offen. Künftig sollten aber neue MitarbeiterInnen nur noch auf Honorarbasis, quasi als SubunternehmerInnen, beschäftigt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, so die Geschäftsführung, sich für einige Zeit arbeitslos zu melden und umsonst für die taz zu arbeiten.

In Hamburg könne man nicht mehr sparen, wenn man keine Verschlechterung der Zeitung wolle, hatte der taz-Controller Dirk Wildt nach gründlicher Analyse festgestellt. Alles sei schon auf ein Minimum reduziert. Die Geschäftsführung schickte mit dem Segen des Vorstandes die Kündigungen sofort raus. Wildt hatte seine Feststellung allerdings ganz anders gemeint. Er schrieb an den Hamburger Finanzenverwalter: „Würde in der taz-Berlin die Buchhaltung so sorgfältig geführt werden, wie Du dies in Hamburg machst, in Berlin könnten im Jahr mindestens 50.000 Mark Personalkosten gespart werden.“

Vor drei Wochen entschied sich Wildt, nach 15 Jahren taz seinen Job als Controller aufzugeben. „Dies liegt auch und vor allem an der autistischen und – viel schlimmer – unfähigen Geschäftsführung in Berlin.“Er befürchte, daß das Team Ruch und Bull auch weiterhin eine „erfolgsabhängige Transferregelung zu blockieren weiß“. Soll heißen: Die Hamburger Lokalredaktion steigert die Auflage der taz in Hamburg und Schleswig-Holstein zwar um fast 60 Prozent, bekommt dafür aber einen unverhältnismäßig geringen Anteil an den Vertriebserlösen. Denn die taz hamburg muß die Erlöse aus dem Abo- und dem Kiosk-Verkauf mit dem wesentlich kleineren Bremer Lokalteil fifty-fifty teilen, obwohl sich aufgrund der Auflagenzahl eine Verteilung 2:1 ergibt. „Eine Quersubventionierung“, muß auch Ruch zugeben.

Die Forderung der taz hamburg, die Summe für die Nord-Lokalteile künftig nicht mehr halbe-halbe, sondern mindestens zu Anteilen von 55 (Hamburg) zu 45 (Bremen) aufzuteilen, ist am Dienstag erneut von der Berliner Geschäftsführung abgelehnt worden. Da somit die Einnahmen per Federstrich verringert werden, sollen auch die Ausgaben reduziert werden, sprich: zwei Redaktionsstellen abgebaut werden.

Dies betrifft konkret die Bildungs-Redakteurin und den Ökologie-Redakteur. Beide wurden – von derselben Geschäftsführung – zum 1. April dieses Jahres eingestellt und erhielten deshalb Ende September ihre Kündigungen kurz vor Inkrafttreten des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Für dieses Prinzip des „Hire & fire“, so die Geschäftsführung, gebe es inhaltlich und personell keinen Grund: „Aber die beiden sind eben am leichtesten rauszukriegen.“

Die Streichung dieser beiden Redaktionsstellen muß zwingend zurückgenommen werden, um weiterhin einen ernstzunehmenden und profilierten Lokalteil in und für Hamburg produzieren zu können. In einem nunmehr rot-grünen Umfeld kann die taz hamburg ohne eine vollständige Politikredaktion wohl kaum an politischem und journalistischem Gewicht zulegen.

Und genau das war und ist das Ziel der taz hh-Redaktion