: „Ökostalinisten“ am Werke?
■ betr.: „Der BUND am Scheide weg“, taz vom 15. 11. 97
[...] Nicht der BUND – und schon gar nicht der in Nordrhein- Westfalen – ist auf dem falschen Weg, sondern diejenigen, die immer noch so tun, als gebe es weder Globalisierung noch Deregulierung, als habe man sich demnach in den letzten Jahren nicht zu Lasten der „Zukunftsfähigkeit“ Deutschlands verändert.
Diejenigen tragen sicherlich mehr dazu bei, daß Umweltverbände ins Abseits – nämlich abseits jeglicher wirksamer Einflußnahme – geraten, als die von der taz so titulierte „Vorstandsfrau Traute Kirsch“, die – weitgehend als einzige – schon vor Jahren vor den Folgen der Deregulierungsgesetze gewarnt hat, als die meisten Politiker und Umweltschützer die „Schlichter-Kommission“ (die einen guten Teil dieses Roll-Back ausgeheckt hat) noch für einen Vermittlungsausschuß in der Tarifpolitik hielten. Daß diese Traute Kirsch ihre Anliegen mit einer seltenen Beharrlichkeit und Konsequenz vorträgt, hat ihr zweifellos viel Gegnerschaft, auch innerhalb des Verbandes, eingetragen. Doch gerade ein Verband wie der BUND braucht solche Persönlichkeiten mit (scharfen) Ecken und Kanten. Aalglatte Anpasser und Angepaßte haben auch wir schon zu viele.
In diesem Zusammenhang hielt es die taz für nötig, von „Ökostalinisten“ zu sprechen – angeblich als Zitat, doch ohne Beleg. Daß dieser Vorwurf ausgerechnet gegen eine Politik ausgesprochen wird, die sich strikt auf das Grundgesetz beruft, ist geradezu absurd, daß er sich in seinem Kontext auf eine bestimmte Peson zu beziehen scheint, halte ich persönlich für eine beleidigende Unverschämtheit. Walter Säuter, Sprecher des
BUND-Fachbeirates NRW
[...] In dem zitierten „internen Thesenpapier des BUND-NW“ geht es nicht um eine stalinistische Kampfansage an das BVG, sondern hier drückt sich die große Sorge darüber aus, daß zur Zeit keine echten Abwägungsprozesse zwischen den Wünschen der wirtschaftlich Handelnden und der Erhaltung der Lebensgrundlagen mehr stattfinden.
Wenn die Gesetzgeber und die sich darauf berufenden Richter die formalen Grundlagen für eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Projekten, die Menschen, Tiere und Pflanzen gefährden, immer weiter außer Kraft setzen, dann muß ein Umweltverband wie der BUND seine warnende Stimme erheben! Wir können und dürfen nicht hinnehmen, daß das vom Grundgesetz garantierte Recht auf den Schutz von Leben und Lebensgrundlagen ständig weiter ausgehöhlt wird zugunsten von Partikularinteressen wie denen der Atomwirtschaft.
Es ist die Aufgabe und Pflicht des BUND, die Menschen in diesem Land zu ermutigen, ihr Bewußtsein von der Unrechtmäßigkeit solcher Projekte, mit denen eine Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen verbunden ist, zu artikulieren. Siegfried R. Schenke, Vorsitzen-
der der BUND-Kreisgruppe
Rhein.Berg.Kreis
[...] Von einer drohenden Spaltung kann aus meiner Sicht überhaupt keine Rede sein. Richtig ist, daß über das Problem diskutiert wird, wie die Regierung mit unseren Grundrechten umgeht. Richtig ist sicher auch, daß der immer weiter um sich greifende Entzug von Mitsprachemöglichkeiten (Beschleunigungsgesetze) Frust bei vielen UmweltschützerInnen hervorgerufen hat. [...] Hartmut Krüger, Funktionsträ-
ger auf mehreren Ebenen des
BUND-Landesverbandes
betr.: dito, und „Monika Griefahn schwenkt auf Atomkurs ein“
Die niedersächsische Landesumweltministerin Monika Griefahn hat sich der GNS (Gesellschaft für Nuklearservice) gegenüber verpflichtet, die Pilotkonditionierungsanlage für Gorleben schnell zu genehmigen und später auch nach Störfällen die erteilte Genehmigung nicht in Frage zu stellen.
Auf diese Weise dokumentiert sie, daß es in Zukunft in Niedersachsen eine Verzögerungstaktik und Nadelstichpolitik gegenüber der Atomwirtschaft nicht mehr geben wird. Sie zieht also die Konsequenzen aus dem bereits seit langem praktizierten Recht, das den Atomfirmen gestattet, alle atomaren Risiken einzugehen, wenn es sich rechnet. Damit ist Gott sei Dank die Farce der ausstiegsorientierten Atompolitik zu Ende. Dieser Situation müssen sich jetzt die Atomkraftgegner stellen.
Der BUND NW hat nach dem auf der gleichen Seite stehenden Artikel dies bereits getan, indem er juristische Schritte als aussichtslos bezeichnet.
Der Berliner Rechtsanwalt Geulen und die niedersächsischen Grünen sollten sich nun auch nicht länger der Erkenntnis verschließen, daß nur die Atomkraft als Ganzes rechtswidrig sein kann, nicht aber einzelnes Handeln von Atombehörden, wie das der niedersächsischen Umweltministerin im Falle Gorleben. Claudia Baitinger,
Sprecherin der Kreisgruppe
Recklinghausen
Die zur Diskussion gestellten Thesen des BUND-Landesvorstandes NRW begleiten viele Aktive im BUND mit großem Interesse. Sie fühlen sich dabei weder von Ökostalinisten umgeben, noch werden sie deswegen den Verband verlassen. Vielmehr sehen sie sich durch diese Diskussion in ihrer Auffassung von einem echten, aktiven Demokratieverständnis bestärkt.
Bleibt zu hoffen, daß dies auch die Position aller im Bundestag vertretenen Parteien ist, vornehmlich dann, wenn es um die aus dem Grundgesetz herzuleitenden Rechte der Bürger/innen geht. Ellen Barthold, BUND
Ortsgruppe Bergisch Gladbach
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