Im Paralleluniversum

■ Nachhilfe in Sachen Welt der Musik: "Fundaments of Riddim" und ihre Bhangrapädagogik für Raggapuristen im Cube Club Friedrichshain

„Give me the stuff for purists, not for the tourists“ – die beliebte Forderung, gleichermaßen anwendbar bei Restaurantbesuch wie Plattenkauf, ist neuerdings auch immer öfter von Friedrichshainer Reggae-Freunden zu hören. Hier formierte sich vor einigen Monaten das Soundsystem „Fundaments of Riddim“, dessen DJs auf so weichgekochtes und bizarr- pandadaistisches Namenswerk wie Pam Pam Da Da, Don Marac oder gar Pa Pa Don Don hören. Immerhin: Sicher ist, daß die drei puristischen Diskurspfleger über einen ausgeprägten Sinn für die feinen Unterschiede im Land des Ragga, Reggae und Jungle verfügen.

Und sie interessieren sich nicht nur für die reine Lehre, sondern auch für die traditionelle Peripherie: Neben besagten Stilen spielen Fundaments of Riddim immer wieder auch den Ragga-ähnlichen indischen Bhangra. Bhangra stammte ursprünglich aus dem Punjab, einem indisch-pakistanischen Grenzgebiet, und gelangte von dort mit den Migrationsströmen nach England. Als traditionelle Hochzeitsmusik blieb Bhangra dort beliebt, war aber zunächst eher auf die indische Gemeinschaft beschränkt; die in England aufgewachsene zweite Generation junger Inder bevorzugte amerikanischen HipHop. Das Blatt wendete sich, als indische Musiker mit dem jamaikanischen Ragga in Berührung kamen.

Der fette, elektrifizierte Sound und die digitalisierten Kraftmeiereien der Jamaikaner boten jungen Indern Grooves und damit zeitgemäße Ausdrucksmöglichkeiten für die wiederentdeckten Stile des Punjab. Durch die traditionelle Dhol-Trommel ist Bhangra stärker rhythmisiert als Ragga, deckt sich dort gleichwohl pfundweise mit Samples ein, insbesondere bei den Stars der Branche wie Buju Banton, General Levy und vor allem Cutty Ranks. Aber auch die experimentelleren Tackhead fanden im indischen Paralleluniversum Verwendung.

Obwohl beim letztjährigen Heimatklängefestival indische Musiker das Tempodrom heißlaufen ließen, blieb Bhangra als Clubmusik nonexistent. Am Publikum liegt es nicht, wie das Tempodrom bewies, der Grund ist viel einfacher: Bhangra-CDs und -LPs sind in Westeuropa Raritäten. Weil die englischen und indischen Hersteller und Vertriebe vollauf damit beschäftigt sind, nach Indien zu liefern bzw. die über den Globus verstreute indische Diaspora zu erreichen, ist diese Musik in Deutschland selbst in einschlägigen Spezialgeschäften kaum zu finden: kein Hype, keine Käufer, keine Präsenz im Plattenladen.

Aber immerhin gab es ein klitzekleines bißchen Airplay: Althipster John Peel hatte schon früh immer wieder Bhangrastücke im Programm, und auf SFB4 setzte DJ Ritus' Sendung „Bhangra in Beds“ einen Maßstab dafür, was state of the art in der Branche ist. Von DJ Ritu erbettelte der Fundaments- of-Riddim-Mann Pam Pam Da Da dann eine Liste mit Hersteller- und Vertriebsadressen; seitdem ist er – unermüdlich telefonierend – am Ball.

Als im Frühsommer 97 der Cube Club begann, das an ambitionierten Musikclubs nicht gerade überreichlich bestückte Friedrichshain mit gediegenen HipHop- und Drum-'n'-Bass-Veranstaltungen zu verschönern, war mit den sonnabendlichen Fundaments of Riddim auch Bhangra in-the-mix mit allem, was irgendwie das Reggae- Paradigma benutzt, also Ska, Rock-Steady, Dub-Reggae, Ragga, Jungle/D n B, Digital-Dub, Laswell-Experimentalia. Bei alldem geben sich Fundaments of Riddim pädagogisch: Die zumeist am Ragga geschulten Ohren des überwiegenden Reggae- und Jungle-Publikums müssen behutsam an den ungewohnten orientalischen Gesang der Inder herangeführt werden, denn bevor Puristen zu einem neuen Purismus überlaufen, ist der ganze DJ gefordert. Nils Michaelis

Jeden Samstag ab 22.30 Uhr im Cube Club, im Keller unter „Die Tagung“, Wühlischstraße 29, Friedrichshain