: Teure Hilfe für einen Flüchtling
■ In Hannover bürgte eine Abgeordnete für einen Mann, damit er aus einem pakistanischen Flüchtlingslager herauskam. Nun fordert die Stadt 55.000 Mark von ihr unverzüglich zurück
Hannover (taz) – Ein humanitärer Akt der Familienzusammenführung soll die niedersächsischen Grünen-Abgeordnete Heidi Lippman-Kasten jetzt 55.000 Mark kosten. Die migrationspolitische Sprecherin der niedersächsischen Landtagsgrünen hatte Ende 1994 einem jungen Deutschen dabei geholfen, seinen in einem pakistanischen Flüchtlager lebenden Vater in die Bundesrepublik zu holen.
Sie lud den Flüchtling afghanischer Staatsangehörigkeit nach Deutschland ein. Dabei unterzeichnete die Grünen-Abgeordnete auch eine Bürgschaftserklärung, wie sie die deutschen Behörden vor der Ausstellung eines Touristenvisums regelmäßig verlangen. In der Bundesrepublik stellte der afghanische Flüchtling später einen Antrag auf Asyl und bezog zeitweise auch Sozialhilfe. Gestützt auf die Bürgschaftserklärung fordert die Stadt Hannover von Lippman-Kasten jetzt 7.000 Mark Sozialhilfekosten und 48.000 Mark für einen Krankenhausaufenthalt des Mannes.
Die Grünen-Abgeordnete hat nach eigenen Angaben gegen den Bescheid, mit dem Stadt Hannover die 55.000 Mark eintreiben will, zunächst erfolglos Widerspruch eingelegt. Jetzt werde sie die Geldforderung der Stadt gerichtlich überprüfen lassen, kündigte Lippmann- Kasten gestern an. Der afghanische Flüchtling sei bereits 1996 nach Kanada weitergewandert, sagte die Landtagsabgeordnete. Daß er in Hannover vorher mehrere Monate im Krankenhaus habe behandelt werden müssen, sei eine direkte Folge der Bürgerkriegserlebnisse und des Lageraufenthalts in Pakistan gewesen. Die Bürgschaftserklärung habe sie seinerzeit unterzeichnet, weil der deutsche Sohn des Flüchtlings über Jahre hin vergeblich versucht habe, seinen kranken Vater aus dem Flüchtlingslager herauszuholen. In den späteren Asylverfahren sei der afghanische Flüchtling zwar nicht anerkannt worden, ihm habe aber ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zugestanden.
Nach Angaben des Innenministeriums in Hannover machen die niedersächsischen Behörden regelmäßig Unterzeichner von Bürgschaftserklärungen für die Aufenthaltskosten von Flüchtlingen haftbar. Diese Fälle gingen in die Hunderte, und die Chancen von Frau Lippmann-Kasten, aus der Bürgschaft wieder herauszukommen, seien gering, sagte ein Sprecher des Innenministeriums gestern. Jürgen Voges
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