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Harry und der Tallimann

■ Was Binnenländer schon immer einmal wissen wollten: Alles über Autos, Container, Fakten – und den Seegüterkontrolleur Von Achim Fischer

LeserInnen können grausam sein. „Schickt den/die «fis‚ mal in' Hafen“, fällte Arne Goes per Leserbrief das harte Urteil – das die lieben Redaktionskolleginnen nur allzu schnell und mit noch größerem Vergnügen sich zu eigen machten.

Und warum? Nur weil Harry Belafonte seine dusselige Tournee im kommenden Frühjahr in Hamburg ankündigen mußte, weil ein dpa-Reporter nicht wußte, was Binnenländer (noch jenseits der Harburger Berge, ja doch das geht, man fällt selbst hinter Dibbersen nicht von der Scheibe) ... weil also ein dpa-Reporter nicht wußte, was Binnenländer nicht wissen, deshalb auch nicht darüber schrieb, stattdessen aber fis aus dem gesegneten Badnerland zur Tastatur griff, und das ganze redigiert von einer Rheinländerin – Neandertalerin, um genau zu sein, aber das bleibt unter uns... Durch Verkettung all dieser unglücklichen Umstände nur ist es zu erklären, daß die taz-Lokalkoloratur vom 22. November ausnahmsweise eine Frage offen ließ: Was ist ein Tallimann, über den Harry berühmt-beschwingt sein „Come Mister Talliman, talli me banaaana“singt?

Ein Tallimann, löste Arne Goes das Rätsel, „ist eine international gültige Berufsbezeichnung. Damit werden die Leute benannt, die die Ladung der Schiffe nachzählen“. Und Christiane Matthiesen konkretisierte per Leserbrief: „Der Tallimann stand früher beim Beladen oder Löschen (Entladen) Ävielen Dank, fisÜ des Schiffes mit Notizblock und Stift da und zählte die Stücke der Ladung.“

Er steht immer noch da, wenn auch ohne Block und Stift. Manfred Schlüter zum Beispiel steht neben der offenen Klappe eines RoRo-Schiffes, während gerade ein Uralt-VW-Bus über die Rampe geschoben wird. Seine vier Mitarbeiter erfassen jedes Teil, das be- oder entladen wird. Jedes Auto, jede Kiste, jeden Container. Samt Vermerk über Zustand, bisherigen Standort, neuen Standort. „Im Prinzip geht es immer um die Schadensabgrenzung“, erklärt er Sinn und Zweck seiner Arbeit. Worum? „Was wir aufzeichnen ist Fakt, für alle Beteiligten, für die Reeder, für den Makler, den Empfänger, den Kaibetrieb oder den Zoll.“Hä? „Sie haben, auf gut Deutsch, immer einen Dummen, wenn was passiert.“Danke.

Zur Zeit gibt es noch rund 250 Tallileute im Hafen, schätzt Peter Kleefeld vom Unternehmensverband Hafen Hamburg. „'Tally' kommt aus dem Englischen und heißt einfach 'zählen'.“Die meisten „Seegüterkontrolleure“– so der offizielle Name des Ausbildungsberufs – arbeiten bei Kaiumschlagbetrieben und kontrollieren die Arbeit ihrer eigenen Firma. Für Wolf-Günter Schmitt zählen diese firmeninternen Kontrolleure nicht ganz zur Zunft dazu.

Schmitt ist Geschäftsführer der Hanseatic Tally Service, einer der beiden letzten Tallifirmen in Hamburg. Dreißig Prüfer stehen in Diensten seiner Firma. „In den besten Zeiten, vor der Containerisierung, waren es mehr als 150.“Harrys Zeile und seine Bedeutung – Tallimann, zähle unsere geschleppten Bananen, wir wollen Feierabend machen – kennen sie natürlich alle. Und jetzt auch fis.

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