Gedankenflug unter Fluglärm

■ Das Künstlerhaus Sootbörn feiert sein fünfjähriges Jubiläum mit einer Kartonausstellung

Ein Schwamm schlägt mit den Flügeln und hebt nicht ab, sondern fährt im steten Versuch im Kreis: Nicht alle Arbeiten zum Thema Fliegen sind so poetisch-vertrackt wie das Objekt von Christian Terstegge. Ob ein über dem Ventilator schwebender weiblicher Ikarus oder eine graphische Montage aus Luftbildern Hamburgs: 100 KünstlerInnen gratulieren dem Künstlerhaus Sootbörn mit Flugobjekten zum fünfjährigen Bestehen.

Vierzehn so unterschiedliche KünstlerInnen wie die folienschichtende Malerin Maria Hobbing oder Siegfried Fuhrmann mit seinen Neukombinationen technischer Teile, wie Stahlplastiker Jan Meyer-Rogge oder der Maler düsterer Zahlenbilder Klaus Kröger haben seit 1992 hier einen Atelierplatz gefunden. Und im Hof steht die Zeltkathedrale des architekturbezogenen Holzplastikers Volker Lang. Trotz aller Verschiedenheit der künstlerischen Richtungen gibt es in der alten Aula der ehemaligen Schule regelmäßige Ausstellungen.

Im Trubel des übervollen Festes am letzten Samstag samt Theater, Musik, Flugbüffet und Versteigerung ging die Vielfalt des aktuellen Projekts fast unter. Es basiert auf einer simplen Papp-Faltkiste, die an hundert befreundete KünstlerInnen verschickt wurde. Zurück kamen so leichte Dinge wie eine Kiste voller summender Fliegen oder so Gewichtiges wie ein als „Handgepäck“deklariertes Stück, das mit massivem Beton ausgegossen wurde. Die Kisten wurden zu Farbfeldern und Modellräumen, zu physikalischen Minilabors oder gar mit chemischem Material zum „In-die -Luft-fliegen“ausgestattet.

Gedankenflug ist allemal ein gutes Thema für die Kunst, hier liegt es besonders nahe: Das Gebäude liegt gleich am Ende der Startbahn Fuhlsbüttel und wird ständig niedrig überflogen. Wegen dieses Lärms als Schule aufgegeben, wurde das Gebäude vom Verein „Ateliers für die Kunst“auf seiner Suche nach Räumen für die Kunstproduktion wiederentdeckt und mit Hilfe der Kulturbehörde zum ersten der vier Hamburger Künstlerhäuser ausgebaut.

In radikal modernem Funktionalismus war der Bau 1927-1929 von den Hamburger Architekten Ernst und Wilhelm Langloh dreigeschossig errichtet worden. Doch die oberen Stockwerke wurden im Zuge der Startbahnerweiterung 1961/62 abgerissen. Nur in manchen Details wie den Bullaugenfenstern oder der Filmprojektionskabine am Festsaal aus damals aktuellem Flugzeug- Wellblech blieben Spuren der Baugeschichte erhalten. Der Flughafen Hamburg GmbH scheint dieses Opfer noch heute peinlich, sie konnte sich jedenfalls zu keinerlei Unterstützung des doch so passend Fliegen betitelten Jubiläums hinreißen lassen.

Hajo Schiff

Künstlerhaus Sootbörn e.V., Sootbörn 22, Katalogkarton nach dem Konzept von Richard Hartwell mit 100 Postkarten aller Kisten in 300er Auflage: 25 Mark

Ausstellung bis 21. Dezember, Di – So 15 – 19 Uhr, internet-info: http://www.wmd.de/art/fliegen