piwik no script img

Vogelspinnen allein zu Haus

■ Kommt Herrchen hinter Gitter, landen Tiere oft in der Tiersammelstelle. 350 bis 400 jeden Monat

Zwei Papageien, 18 Vogelspinnen, ein Mischlingshund und diverse Hamster sind seit Dienstag abend ganz allein zu Hause. Ohne menschliche Betreuung fristen sie derzeit ihr Dasein in einer Wohnung in einem zwölfgeschossigen Hochhaus in Hohenschönhausen. Herrchen Mike Schaufuß sitzt, wie die Papageien, hinter Gittern. Weil er während einer Bewährungsstrafe wegen Diebstahl ohne Führerschein gefahren ist, wurde er im April vergangenen Jahres zu drei Jahren in der Justizvollzugsanstalt Tegel verurteilt.

Seitdem seine Frau am Dienstag abend ebenfalls hinter Gittern landete, sind die Tiere sich selbst überlassen. Schaufuß, der gestern noch nicht die Umstände und den Grund der Verhaftung kannte, ist verzweifelt. „Meine Frau hat die Wohnung erst im Juli bezogen und kennt niemanden im Haus“, klagt der 36jährige Betonbauer. „Mir sind die Hände gebunden.“ Seine Diagnose: Die Vogelspinnen könnten maximal anderthalb Wochen ohne Fressen auskommen, die Papageien vier Tage. Ganz zu schweigen davon, wo der Hund – eine Mischung aus Schäferhund, Collie und Pitbull – seine Geschäfte verrichten soll. Schaufuß hatte gestern vergeblich versucht, sich mit seiner Anwältin in Verbindung zu setzen.

Wird jemand bei einem Polizeieinsatz festgenommen, landen die Tiere in der Regel bei der Tiersammelstelle des Landeseinwohneramtes auf dem Gelände des Tierheimes Lankwitz, erzählt Tierpfleger Franz Latzko. Den Haltern wird dies schriftlich mitgeteilt. Außerdem werden sie aufgefordert, die Tiere innerhalb von zwei bis drei Wochen abzuholen beziehungsweise abholen zu lassen.

„Warum sollen die Tiere darunter leiden, wenn die Halter nicht anständig sind?“ fragt der Tierpfleger. Jeden Monat landen etwa 350 bis 400 Tiere in der Sammelstelle. „Exotentiere nehmen wir aber nicht“, stellt Latzko klar. Er klagt, daß „die Halter immer gleichgültiger werden“. Nicht selten würden Gefangene oder Beschuldigte ihre Tiere ihrem Schicksal überlassen. Das heißt dann Tierheim Lankwitz.

Justizsprecherin Svenja Schröder rät betroffenen Gefangenen, sich mit ihrem Anwalt in Verbindung zu setzen. Dieser könne die Wohnungsschlüssel an Nachbarn, Freunde oder Bekannte weitergeben. Bereitschaftsrichter würden jedem Beschuldigten in solch einer Situation ein Telefonat erlauben. Es komme aber auch „immer wieder vor“, daß Tiere verwahrlost seien und im Tierheim landeten. Barbara Bollwahn

Foto: Thomas Kretschmer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen