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Junkies müssen auf Spielplätzen drücken

Berliner Drogenpolitik auf dem Tiefpunkt: Bei der Gesundheitsministerkonferenz stimmte die Hauptstadt mit Bayern, Sachsen und Rheinland-Pfalz gegen Druckräume und gegen Modellprojekte zur Heroinabgabe  ■ Von Plutonia Plarre

Mit Bestürzung und Kritik haben Drogenberater und Anwohner von Junkie-Treffpunkten zur Kenntnis genommen, daß Berlin in der Drogenpolitik lieber mit Bayern paktiert, als mit der Mehrzahl der Bundesländer neue Wege zu beschreiten. So auf der letzten Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 21. November. Bei der Konferenz in Saarbrücken ging es um die Einrichtung von sogenannten Druckräumen für Junkies und die Durchführung von Modellprojekten zur ärztlichen Heroinabgabe. Gegen die Stimmen von Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Rheinland-Pfalz forderten die übrigen Länder Bundesrat und Bundestag zu entsprechenden Gesetzesänderungen zur Ermöglichung der Vorhaben auf.

„Berlin hat mal wieder die übliche Bremserrolle eingenommen“, kommentierte Fredi Lang von der Aids-Hilfe das Abstimmungsverhalten von Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU). Rolf Hemmerich von der unter den Begleiterscheinungen der Drogenszene leidenden Anwohnerinitative Potsdamer Straße hält es „für geradezu tragisch, daß Berliner in der Drogenpolitik so konservativ sind“. Aus Sicht von Drogenexperten ist die Einrichtung von Druckräumen dringend geboten: Die Möglichkeit, sich unter hygenischen Bedingungen den Stoff injizieren zu können, ist eine wichtige Überlebenshilfe für Schwerstabhängige. Die Ansteckungsgefahr von Infektionskrankenheiten wie Aids kann so drastisch vermindert werden. Außerdem haben Sozialarbeiter die Möglichkeit, mit der sonst nur schwer erreichbaren Gruppe der Schwerstabhängigen in Kontakt zu kommen und ihnen Hilfsangebote zu unterbreiten.

Die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller begründet die Berliner Absage an Druckräume damit, solche Räume würden „zu einer Konzentration der Drogenszene und zu neuen, großen Problemen für Passanten und Anwohner führen“. Vorbilder von Frankfurt/Main oder der Schweiz, wo es solche Druckräume schon lange gibt, hält Koller für „nicht übertragbar“ auf die hiesigen Verhältnisse. Auf die Frage, warum Berlin auf der GMK gegen einen Modellversuch zur Heroinabgabe gestimmt hat, verwies Koller darauf, daß Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ja ein solches Projekt grundsätzlich befürworte. Ein Modellversuch sei jedoch auch ohne die von den Gesundheitsministern geforderte Änderung des Betäubungsmittelgesetztes möglich. Der GMK-Beschluß bedeute, daß „früher oder später jeder niedergelassene Arzt Heroin abgeben“ könne. Das wolle Berlin keinesfalls.

Der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Bernd Köppl, hält die Absage an Druckräume für fatal. „Viele Schwerabhängige sterben nicht an der Sucht, sondern an Begleitkrankheiten“, weiß Köppl. „Berlin gibt die Leute einfach auf.“ Um eine Konzentration der Szene zu verhindern, schlägt er die Einrichtung mehrerer kleiner, dezentral gelegener „Gesundheitsräume“ entlang der U-Bahn-Linie 1 zwischen Kreuzberg und Innenstadt vor.

Die hessische Gesundheitsministerin Margarethe Nimsch (Bündnis90/Grüne) sagte der taz, daß Frankfurt mit den 1994 eingerichteten Druckräumen „sehr gute Erfahrungen“ gemacht habe. Es habe auch „keinerlei“ zusätzliche Probleme gegeben. Im Gegenteil. Die Situation habe sich sowohl für die Junkies als auch für die Anwohner „erheblich verbessert“. Die Druckräume seien aber nur ein Baustein von vielen im Frankfurter Drogenkonzept, das von Polizei, Sozial- und Gesundheitsämtern parteiübergreifend „getragen“ werde und ein breites Hilfsangebot für die Abhängigen bis hin zur geplanten Heroinabgabe beinhalte. „Was die Dealer angeht, haben wir eine große Kontrolldichte aufgebaut“, sagte Nimsch. Viele andere Städte wollten dem Frankfurter Vorbild folgen, trauten sich aber nicht ohne entsprechende gesetzliche Grundlage. Deshalb sei der GMK-Beschluß von großer Bedeutung.

Die Wilmersdorfer Gesundheitsstadträtin Martina Schmiedhofer (Bündnisgrüne) hält das Frankfurter Modell für auf Berlin übertragbar. Schmiedhofer war bis 1996 Fraktionsvorsitzende der hessischen Grünen und weiß somit genau, wovon sie spricht. Sie wirft der Landesdrogenbeauftragten Koller „unglaubliche Borniertheit“ vor. „Wenn man die Abhängigen weiter dazu zwingt, im Gebüsch und auf Kinderspielplätzen zu drücken, braucht man sich offenbar nicht mit den Problemen auseinanderzusetzen“, stellte Schmiedhofer ironisch fest.

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