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■ Italien präsentiert sich bei Albaner-Abschiebung als SupereuropäerDas geplünderte Paradies

Romano Prodi, der gute Mensch an der Spitze der italienischen Regierung, nimmt's mit dem achten Gebot – du sollst nicht lügen!– nicht sonderlich genau. Wiederholt hatte er versichern lassen, kein Albaner werde mit Gewalt aus Italien vertrieben. Doch dann drangen die Polizisten – unter vorsorglicher Aussperrung der Journalisten – gewaltsam in die Lager ein. Sie zerrten weinende Frauen und Kinder sowie Männer, die sich wehrten, in die wartenden Busse. Mag sein, daß einige der Abgeschobenen tatsächlich straffällig geworden waren, doch auf 99 Prozent der Bürgerkriegsflüchtlinge trifft das nicht zu. Wenn sie nun scheinbar ruhig auf die Schiffe gehen, ist dies eher dem Einschüchterungseffekt als gewonnener Überzeugung zuzuschreiben.

Prodi, derzeit in London, erklärt nun, daß man „Gesetze eben respektieren“ müsse und daß er ja gesagt habe, es gebe keinen Aufschub. Doch der Eindruck drängt sich auf, daß da einer den Europäern demonstrieren will, wie supereuropäisch er ist. Seit die EU-Großen Italien den Zugang zur ersten Euro- Gruppe zugesagt haben, überbietet sich die italienische Regierung in „Beweisen“ für ihre Europatauglichkeit. Die Albaner, gerade mal 5.000 Menschen, haben keine Lobby von Gewicht. Selbst von ihrer eigenen Regierung werden sie – aus Angst vor dem Entzug der ohnehin mageren Aufbauhilfen – im Stich gelassen. Unter diesen Voraussetzungen läßt sich leicht Wehrhaftigkeit an den Außengrenzen der „Festung Europa“ demonstrieren.

Schäbigerweise springen auch Teile der italienischen Presse auf diesen Zug auf. Fernsehsender zeigen immer wieder die gleichen Bilder von der damaligen Ankunft der Albaner – durchnäßt, verschmutzt, mit leeren Händen kamen sie ins Land. Dann werden die Bilder ihrer Abfahrt präsentiert – schwerbepackt, mit zahlreichen Kisten, Koffern und manch einer gar mit einem Motorrad gehen sie an Bord. Die suggestive Botschaft lautet: Sie haben das Paradies geplündert. Infamer geht's nicht.

Bislang hat das italienische Parlament noch keine Zeit gefunden, die entsetzten Anfragen der Grünen und der Neokommunisten zu diskutieren, die gegen die Abschiebungen protestieren. Dafür aber widmete es sich – manchmal haben Zufälle auch symbolischen Charakter – volle vier Stunden der Frage, ob der derzeitige Chef des 1948 per Verfassungszusatz aus dem Land verbannten früheren Königshauses der Savoyer wieder ins Land dürfe. Im Gegensatz zu den Albanern, sagte ein Abgeordneter, „muß man für den ja materiell nicht sorgen“.

So kann man's natürlich auch sehen. Werner Raith

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