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Mehr Wettbewerb unter Professoren, das Beamtenrecht ist zu unflexibel

■ 90 Prozent der Hochschulprobleme verursacht das Beamtenrecht, meint Wichard Woyke, Politikwissenschaftler an der Universität Münster

taz: Sie haben im Münsteraner Bahnhof vor 300 Studierenden eine Vorlesung gehalten. Warum?

Wichard Woyke: Es war eine Aktion, um Öffentlichkeit für die Studierenden und ihre Ziele in dem augenblicklichen Konflikt herzustellen und die Universitätsöffentlichkeit zu verlassen.

Warum solidarisieren Sie sich jetzt mit den Studierenden?

Ich habe das größte Interesse, daß ein ordnungsgemäßes Lehren und Lernen möglich ist. Dies ist zur Zeit nicht gegeben.

Die Professoren glänzen ja nicht selten durch Abwesenheit.

Das mag es geben.

Nehmen Ihre Kollegen die Lehrverpflichtung nicht ernst?

Teilweise ja. Ich würde aber meinen, das ist die Minderheit. Es gibt natürlich Mängel, gerade beim Betreuungsverhältnis, das zwischen Professoren und Studenten zu groß ist. Manche Professoren haben viel zu viele Examenskandidaten, andere zu wenig.

Welche konzeptionellen Veränderungen schweben Ihnen vor?

Ich würde mir wünschen, daß Wettbewerb herrscht. Und zwar nicht nur zwischen den Universitäten, sondern auch unter den Lehrenden. Sprich, daß alle ein gewisses Grundgehalt bekämen, und daß alles, was man zusätzlich verdienen kann, aufgrund von Forschungs-, Lehr- und Prüfungsleistungen oder der Mitarbeit in der universitären Selbstverwaltung vergeben wird. Meine Voraussage ist, daß 80 bis 90 Prozent aller Probleme, die wir an den Unis haben, damit gelöst wären.

Es fehlt also nicht nur am Geld?

Nein, es müssen Strukturen verändert werden. Wer 1972 einen Lehrstuhl bekommen hat, der sitzt heute noch dort und erhält genausoviel Geld. Egal ob er nun drei Studenten prüft im ganzen Jahr, oder ob er 30 oder 300 prüft. Dafür bekommt er vom Staat nur ein bißchen mehr Prüfungsgeld. Aber das ist lächerlich.

Wären Prüfungszahlen der Indikator für eine Lehr-Leistung?

Natürlich sind es Prüfungszahlen, die hier eine Rolle spielen. Wir haben im Fachbereich sehr große Unterschiede. Das wäre eine Möglichkeit. Eine andere, wie es in Frankreich oder USA üblich ist: Wer mehr lehrt, bekommt auch mehr. Man müßte von dem Beamtenrecht weg. Es ist zu unflexibel.

Gibt es dafür Chancen?

Leider wenig. Das Beamtenrecht dürfte zumindest kurzfristig nur schwer zu ändern sein. Anders wäre es nur zu machen, wenn für die Mittelvergabe an die Fachbereiche ein Schlüssel genommen wird, der auf erfolgreichen Prüfungen, Drittmitteleinwerbung, Veröffentlichungen usw. fußt. Daß also mit dem vorhandenen Geld ein Anreizmodell geschaffen wird, das sozusagen Synergieefeekte für das Lehrsystem abwirft.

Wo sehen Sie die Ursache für die große Resonanz der Proteste jetzt?

Es gibt Institute und Universitäten, an denen es wesentlich schlechter ist als bei uns. Nehmen Sie das Land Berlin, wo ein massiver Stellenabbau stattgefunden hat, oder auch Hessen. Das sind marode Situationen. Allein Berlin hat 7.000 wissenschaftliche Zeitschriften abbestellt. Das muß man sich einmal vorstellen! Das beeinträchtigt die Forschungs- und Lehrtätigkeit ganz erheblich. Interview: Volker Heitkamp

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