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Lieber guter Weihnachtsmann Mach, daß ich studieren kann

■ Über 140.000 Studierende demonstrieren in der ganzen Republik von Jena bis Düsseldorf gegen Bildungs- und Sozialabbau. „Scheinheilige Solidarität“ der Politiker zurückgewiesen. Der Bafög-Gipfel von Bund und Ländern droht zu scheitern

Berlin/Düsseldorf/Hannover (taz) – Bei den größten Studentendemonstrationen in der Geschichte der Republik gingen gestern über 140.000 Studierende auf die Straße. In Düsseldorf (50.000), Berlin (30.000), Hannover (15.000), Freiburg (11.000), Hamburg (10.000), Wiesbaden (7.000), Mainz (10.000), Kiel (7.500) und sogar im ostdeutschen Jena (4.000) protestierten StudentInnen und SchülerInnen gegen „Bildungs- und Sozialabbau“. An der Berliner Humboldt-Universität breitete sich eine studentische Weihnachtsmänner-Invasion aus. Wie ein Flächenbrand weitet sich seit vier Wochen das Aufbegehren gegen die finanzielle und strukturelle Krise an den Hochschulen aus. Ab heute findet in Bonn ein bundesweites „Vernetzungstreffen“ statt, auf dem Studentenvertretungen aus den 250 deutschen Hochschulen das weitere Vorgehen beraten wollen.

Um Raum für die Menschenmenge zu schaffen, mußte die Polizei in Düsseldorf die am Landtag liegende Rheinbrücke sperren. Michael Gerber von der Düsseldorfer Schülervertretung sagte, es gehe darum, gegen „die gesamte unsoziale Politik in diesem Lande“ aufzustehen und „die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“. Viele RednerInnen wandten sich gegen die „scheinheilige Solidarität der Politik“ in den letzten Wochen. Die Demonstrationen seien ein „neuer Höhepunkt“, sagte Ulrike Gonzales vom studentischen Dachverband fzs. Er zeige, „daß die Taktik der Regierung fehlgeschlagen ist, durch Umarmung die politische Kraft der Studierenden zu brechen“. Sie forderte, die Universitäten zuerst zu demokratisieren und dann ausreichend zu finanzieren.

In Berlin zogen 30.000 Studierende vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz. Bereits am frühen Morgen hatten Japanologiestudierende aus Protest gegen die Kürzungen bis 2003 „rituellen Selbstmord“ vorgeführt. In Frankfurt (Oder) besetzten 300 Studierende die Bibliothek der deutsch-polnischen Uni Viadrina. Zu einem Gespräch mit dem an der Uni weilenden Bundeskanzler kam es nicht.

Unterdessen eskalierte die Auseinandersetzung um die Ausbildungsförderung. Gegenüber der taz zieh die niedersächsische Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt ihren Amtskollegen im Bund, Jürgen Rüttgers, der „Erpressung“. Rüttgers hatte gedroht, den Bafög-Gipfel beim Kanzler platzen zu lassen. cif/J.S./noel

Berichte und Interview Seite 6

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