Die Schönheit des Rauchens

■ Trotz des EU-Werbeverbots: Rauchen kommt wieder in Mode

Es bedarf keines großen Scharfsinns, um an der Wirksamkeit der Warnung „Rauchen gefährdet die Gesundheit“ unter den Werbeplakaten der Tabakindustrie zu zweifeln. Weit davon entfernt, die Raucher zum Innehalten und zur Umkehr zu bewegen, erhöht sie vielmehr ihre Begierde. Denn geraucht wird nicht trotz, sondern wegen dieser Gefährdung. Sie gehört zur Ästhetik des Rauchens, zu seiner eigenartigen Schönheit. Deshalb wird auch das jetzt innerhalb der EU avisierte Verbot der Zigarettenwerbung in keiner Weise dazu führen, das Laster einzudämmen. Im Gegenteil.

Während es früher gerade die Starken wie Winston Churchill oder Humphrey Bogart waren, die öffentlich pafften, was das Zeug hielt, mußte man bis vor kurzem ein willensschwacher, lernunfähiger, mitleiderregender Versager sein, um als Raucher toleriert zu werden – zumal im linksalternativen Milieu. Oder man mußte über besondere, die Aufmerksamkeit fesselnde Rauchfähigkeiten verfügen, wie der Schreiber dieses Kommentars, der seine oft verschlungenen Argumentationen mit der Zigarette im Mundwinkel der Redaktion dieser Zeitung zu Gehör brachte. Ich sagte „bis vor kurzem“, denn einiges spricht dafür, daß die Gesundheitswelle sich bricht und der Zyklus von Verdammung und Verherrlichung, der das Rauchen von Anfang an begleitete, sich eine Spirale weiterdreht. Zeiten gesteigerter Krisen und Konflikte sind nun mal Zeiten verstärkten Tabakkonsums.

Wenn man das Rauchen nur als gesundheitsschädigend betrachtet, gerät aus dem Blick, welche wohltätigen gemeinschaftlichen Wirkungen mit ihm verbunden sind. Wie Richard Klein in seinem wunderbaren „Schöner blauer Dunst“ klargemacht hat, ist das Rauchen nicht nur „ein physischer, sondern auch ein diskursiver Akt, eine stumme, aber beredte Art, sich auszudrücken. Es ist ein kodierter, rhetorisch komplexer, erzählerisch artikulierter Diskurs mit einem umfangreichen Repertoire von in ihrer Bedeutung klar umrissenen Konventionen.“ Noch Fragen?

Zum Rauchen gehört unbedingt ein zweites Laster: der Entschluß, mit dem Rauchen aufzuhören. Mit beiden Lastern kann eine Biographie randvoll ausgefüllt werden. Es gab sogar einen bedeutenden Denker, der im Widerruf des Entschlusses zum Nichtrauchen einen beängstigenden Akt der Freiheit sah. So betrachtet sind wir fast alle Philosophen. Christian Semler