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Algerien lockt deutsche Investoren

Die Wirtschaftsbeziehungen werden ausgebaut. Die Staatsbetriebe werden privatisiert, marode Industrieanlagen sollen mit deutschem Kapital modernisiert werden  ■ Aus Köln Reiner Wandler

Der Präsident der Holding Public Mecanique (HPM), Mohamed Zayeb Doghbal, fliegt zufrieden nach Hause. Vier Tage lang war er in der vergangenen Wochen mit einer 20köpfigen Delegation aus den algerischen Staatsbetrieben in Köln, um auf dem dritten Treffen des Deutsch-Algerischen Geschäftsforums erfolgreich Kontakte zu knüpfen.

Das Interesse Doghbals an deutschen Partnern kommt nicht von ungefähr. „90 Prozent der Betriebsanlagen unserer Holding sind deutscher Herkunft, bis auf eine Gießerei, ausnahmslos aus Westdeutschland“, erklärt der Chef eines Konsortiums, in dem vom Nutzfahrzeugbau bis zur Herstellung von Haushaltsgeräten die gesamte weiterverarbeitende Metallindustrie vereinigt ist. Die Anlagen aus Deutschland wurden in den 70er Jahren mit den Erlösen aus dem Erdölgeschäft geordert. Jetzt soll die Industrie der Bundesrepublik für die Instandhaltung und Modernisierung dieses Erbes aus der Zeit der sozialistischen Experimente unter Präsident Houari Boumedienne gewonnen werden.

Bei den Unternehmern kommt die Botschaft an. „Ich werde den Eindruck nicht los, daß wir Deutschen der Wunschpartner der Algerier sind“, sagt Dr. Claude Robert Ellner von der Nordafrika Mittelost Initiative des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), und wittert eine Chance für die deutsche Wirtschaft. Zwar ist Deutschland für Algerien nach Italien, USA, Frankreich und Spanien mit 7,5 Prozent des Exportvolumens bisher nur der fünftwichtigste Abnehmer und umgekehrt Algerien für Deutschland nur die Nummer 65. Doch der Trend geht nach oben. Algerien ist bereits heute mit Waren im Wert von 1,55 Milliarden Mark – fast ausschließlich Rohöl – zum zweitgrößten Energielieferanten Deutschlands aufgestiegen. In den deutsch-algerischen Wirtschaftsbeziehungen herrschte wegen der prekären Sicherheitslage in Algerien praktisch Stillstand. In den letzten Jahren kamen sie dennoch in Gang, jetzt kauft das nordafrikanische Land wieder hierzulande – vor allem Komponenten zur Instandhaltung und Modernisierung der maroden Industrieanlagen.

Zwar beliefen sich die Bestellungen im letzten Jahr nur auf spärliche 620 Millionen Mark, doch BDI-Experte Ellner denkt nach vorn: „Gerade bei der Anlagenwartung können wir beweisen, daß die deutsche Industrie ein zuverlässiger Partner ist.“ Andere Aufträge folgen dann von allein, glaubt er. Der Vorsitzende des Deutsch- Algerischen Geschäftsforums, Werner Schoeltzke, stimmt ihm zu. „Überstürzen Sie nichts. Suchen Sie sich zuerst einen Partner, mit dem Sie Geschäfte machen können. Reden Sie dann über Beteiligungen und Gemeinschaftsprojekte und tun Sie das im überschaubaren Rahmen“, empfiehlt der Geschäftsführer von Fritz Werner Industrie-Ausrüstung.

Das in Frankfurt ansässige Unternehmen für Anlagenbau hat nicht von ungefähr die Führungsrolle im Ende 1986 gegründeten Forum übernommen. Es war die MAN-Tochter, die in den siebziger Jahren viele der Großprojekte umsetzte: Ob Kühlschränke in Bosch- Lizenz, Elektroherde mit dem Know-how von Junkers oder Traktoren mit der Hilfe von Klöckner- Humboldt-Deutz, Fritz Werner erhielt den Zuschlag.

In Köln saßen sich die Wirtschaftsvertreter der beiden Länder zum dritten Mal gegenüber. Die Ausbeute ist nicht schlecht. Thyssen ist mit einer eigenen Handelsgesellschaft, der Otto Wolff GmbH, vor Ort und verkauft Industriegüter und Stahl in der Landeswährung Dinar. Die auf Großkredite spezialisierte Frankfurter Arab Banking/Daus eröffnet in Kürze die erste von sechs geplanten Filialen in Algerien.

Bei Krupp wird über einen Einstieg im Stahlwerk von El Hadjar nachgedacht. Siemens studiert den algerischen Elektrosektor, und Deutz verhandelt mit der Mähdrescher- und Traktorenfabrik im ostalgerischen Constantine. In den Konzern würde das Werk allemal passen, wurde es doch einst in Deutz-Lizenz gegründet. Außerdem bekundet der Chef des Deutz- Beratungsbüros in Algier, Bruno Hiblot, Interesse an der Produktion einer neuen Generation wassergekühlter Motoren für den Nutzfahrzeugbereich.

Hiblot ist hier nicht der einzige. Neben der Daewoo-Gruppe bewirbt sich auch MAN um den Bau einer Motorenproduktionsstraße für die Fahrzeugfabrik SNVI. Die Duisburger scheinen das Rennen zu machen. Laut HPM-Chef Doghbal könnte es schon in den nächsten Tagen zu einem Vertragsabschluß mit MAN kommen. Bauen würde dann einmal mehr die MAN-Tochter Fritz Werner.

Staatssekretär Werner Hoyer im Auswärtigen Amt betrachtet die Entwicklung mit Wohlwollen. Genau das hat er sich vorgestellt, als er vor geraumer Zeit begann, von einer „Politik der kleinen Schritte“ zu sprechen. Hoyers Formel: Wirtschaftliche Zusammenarbeit schafft Arbeitsplätze, und legt damit das soziale Umfeld für islamistische Ideen trocken. Dreimal ist der Staatssekretär in das nordafrikanische Krisenland gereist, das letztemal Ende November.

Doch den Algeriern geht das alles nicht schnell genug. Sie wollen die Deutschen vor allem für eine direkte Beteiligung an ihren zur Privatisierung anstehenden Staatsbetrieben gewinnen. Und hier überlegen ihnen die deutschen Unternehmen mit ihrer Philosophie der kleinen Schritte zu lange.

Für die zögerliche Haltung gibt es neben der schwierigen Sicherheitslage für Ausländer auch handfeste wirtschaftliche Gründe. „Für eine Produktion im Land ist die Nachfrage zu gering. Kleine Stückzahlen sind nicht rentabel“, erklärt Gérard Pion, Verkaufsmanager bei der ZF-Friedrichshafen AG, die Getriebeteile für den Fahrzeugbau nach Algerien liefert.

Warum dann trotzdem so viel Kopfzerbrechen über Investitionen in Algerien? Im März hat die Europäische Union Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen begonnen. Sobald es unterzeichnet wird, könnten in Algerien produzierte Industrieprodukte zollfrei nach Europa eingeführt werden. Die koreanischen Konzerne haben dies bereits begriffen und laufen Algier mit ständig neuen Vorschlägen für Großprojekte die Tür ein.

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