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Thailand am Tag des Jüngsten Gerichts

Die Regierung in Bangkok schließt 56 von insgesamt 58 Finanzinstituten. Damit werden Auflagen für den Milliardenkredit des IWF erfüllt. Die WestLB kann thailändische Bank wegen der Schließung nicht kaufen  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Für einen Mann, der 120 Millionen Mark verloren hat, wirkt Kosol Krairiksh bemerkenswert gelassen: „Ich werde künftig Gemüse anbauen“, sagt der Vizevorsitzende der Dynamic Eastern Finance Thailand AG (DEFT). Minuten zuvor hatte gestern die thailändische Regierung eine mit Spannung erwartete Entscheidung verkündet: 56 von insgesamt 58 hochverschuldeten thailändischen Finanzinstituten, die bereits im Sommer suspendiert wurden, werden endgültig geschlossen. Kosols DEFT ist dabei. Auch die Finance One AG, für die sich die Westdeutsche Landesbank in den letzten Tagen interessierte, hat nicht überlebt. Eine Auffanggesellschaft soll das Vermögen und die Schulden der geschlossenen Firmen übernehmen: Die Institute stehen nach vorläufigen Schätzungen mit rund 28 Milliarden Mark im Ausland in der Kreide. In Thailand haben sie rund 40 Milliarden Mark verborgt – häufig leichtfertig an politische Freunde oder Geschäftspartner. Ein großer Teil davon steckt unwiederbringlich in Bauruinen und bankrotten Unternehmen. Für die Einlagen der Kunden wird der thailändische Staat mit etwa 10 Milliarden Mark aufkommen. Etwa 6.000 Beschäftige der Institute verloren gestern ihren Job, nachdem in den letzten Monaten bereits 14.000 gekündigt worden waren. Damit folgen die Behörden den strengen Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Bangkok im Juli Kredite in Höhe von 17,2 Milliarden Dollar versprochen hat, wenn es das korrupte und überschuldete Bankenwesen reformiert. Seit dem Sommer hat die thailändische Währung mehr als 35 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren, die Aktienkurse stürzten in die Tiefe, Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit nahmen drastisch zu. „Wir hoffen sehr, daß dies ausreichen wird“, begründete Finanzminister Tarrin Nimmanahaemida den Schlag gegen die Finanzinstitute, „um zu zeigen, daß wir auf dem richtigen Weg sind, das gesamte Finanzsystem zu stärken.“ Die Börsenhändler schienen ihm beizupflichten: Die Aktien hüpften kurz nach der Ankündigung um fast vier Prozent in die Höhe.

„Judgement day“ nannten die Bangkoker Zeitungen den gestrigen Montag – „Tag des Jüngsten Gerichts“. Lange hatte die Regierung die Schließung der Geldhäuser herausgezögert, die vielen Politikern hübsche Nebeneinkünfte bescherten. Erst der Amtsantritt von Premier Chuan Leekpai im November brachte Bewegung in die Sache. In den heruntergekommenen Räumen der Dynamic Eastern Finance Thailand schiebt Kosol der thailändischen Zentralbank die Schuld an der Misere in die Schuhe: Die hätte schon früher darauf achten müssen, daß die Finanzinstitute sich besser absichern. Er fühlt sich unfair behandelt und hat gegen die Zentralbank-Manager Klage wegen „Günstlingswirtschaft“ eingereicht. Der 72jährige Kosol kennt sich aus: Er war zwischen 1986 und 1990 Handels- und Vizepremierminister und „ist seit dreißig Jahren in der Politik“, wie er stolz sagt. So ist es wohl nicht nur seine „buddhistische Lebensphilosophie“ und das „Bewußtsein, daß man seinen Reichtum nicht ins Grab nehmen kann“, was den alten Kosol trotz seines Verlustes von 120 Millionen Mark so gelassen macht: Schließlich hat er noch 270 Millionen Mark übrig.

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