: In keiner Phase leichtfertig
Nach dem 33:22-Erfolg gegen Weißrußland trennt die deutschen Handballerinnen nur noch ein Sieg im heutigen Match gegen Makedonien vom Halbfinale in Berlin ■ Von Ralf Mittmann
Berlin! Sechzehn Köpfe und ein Gedanke: Berlin! In die Hauptstadt drängt es die deutschen Handballerinnen. Dort wollen sie am Wochenende das Werk krönen, mit dessen Inszenierung sie in Sindelfingen erfolgreich begonnen haben und dessen Fortsetzung in Hannover nicht minder gelungen ist. Verlustpunktfreie WM-Vorrunde im Schwabenland, danach 33:22 im Achtelfinale gegen Weißrußland an der Leine. „Natürlich denken wir an Berlin“, sagt Spielmacherin Franziska Heinz.
Hannover! Ein Kopf und ein Gedanke: Hannover! Bundestrainer Ekke Hoffmann hat die Pflicht, seine ziemlich euphorisierten Spielerinnen auf das Viertelfinale einzuschwören, in welchem heute Makedonien der Gegner sein wird. Nur im Falle eines Sieges nämlich wird die auf jeden Fall folgende Berlinreise den Sinn haben, den sich alle wünschen im Deutschen Handball-Bund: um Medaillen spielen statt nur um eine Plazierung hinter der Vier.
Berlin, Hannover. Ganz so dramatisch ist die Lage nicht, daß Hoffmann fürchten müßte, seine Damen könnten in ihrem Streben nach Berlin die letzte Hürde in Niedersachsen vergessen. Daß dies nicht passieren wird, will der Bundestrainer im Spiel gegen Weißrußland erkannt haben. Hatte Hoffmann vorher durchaus Befürchtungen, es könnten sich gegen einen Konkurrenten, der im internationalen Frauenhandball eher als kleine Nummer gilt, Nachlässigkeiten einschleichen, durfte er hinterher erfreut feststellen: „Die Mannschaft hat mich eines Besseren belehrt, sie war in keiner Phase leichtfertig.“ Und wenn dies schon nicht gegen einen Underdog passiere, „dann wird dieser Fall wohl auch nicht mehr eintreten“.
Schon gar nicht gegen Makedonien. Vom Viertelfinalgegner wußten sie im DHB-Lager vor Beginn dieser WM rein gar nichts. „Die hatten wir nicht auf der Rechnung“, sagt Hoffmann. So wird wenigstens der intensiven Arbeit des DHB-Trainerstabes, der an allen Vorrunden-Spielorten mit Videokameras im Einsatz war, die richtige Anerkennung zuteil. Die Abteilung Neubrandenburg, wo die Makedonierinnen ihre Gruppenspiele absolvierten und dabei selbst den WM-Favoriten aus Dänemark mit 25:23 besiegten, durfte „Bingo“ vermelden und ihre Kassetten beim Bundestrainer abgeben. Der hat sich nach dem Erfolg gegen Weißrußland bald auf sein Zimmer verzogen und eine Filmsession abgehalten. „Erst bis zwei Uhr früh“, erzählte Hoffmann, „und dann schon wieder ab 6.15 Uhr in der Frühe.“ Prompt wurden – hinter vorgehaltener Hand leise gesprochene – Spötteleien ausgemacht, wonach man Meister Hoffmann bei der Partie gegen Makedonien vermutlich mit leicht geröteten Augen im seltsam rechteckig anmutenden Charakterschädel auf der Bank sitzen sehen werde.
Die Nachtsitzungen vor der Glotze waren freilich dringend notwendig. „Was ich da gesehen habe“, meinte er gestern morgen, „das nötigt mir allen Respekt ab.“ Starke Außen, überhaupt variables Angriffsspiel, und wenn Hoffmann auf die Frau im rechten Rückraum zu sprechen kommt, schwärmt er fast ein bißchen. Indira Kastratović heißt die Sportlerin, Jahrgang 70 und mit fintenreichem Zug zum Tor des Gegners ausgestattet. „Die hat Wurfvarianten vom Feinsten drauf“, sagt Hoffmann, „fast wie Anja Andersen.“ Dies ist kein kleines Kompliment, denn die exzentrische Dänin gilt als einer der Besten der Welt.
So gilt es also, Frau Kastratović zu bändigen. Und was alles sonst noch, will Ekke Hoffmann zwischen Mittwoch abend und Donnerstag früh herausgefunden haben. Das alles wird er seinen Spielerinnen mitteilen, nochmals Konzentration auf das Wesentliche verlangen und dann selbst an den Erfolg glauben. Sollte der kommen, ist alles klar. Siebzehn Köpfe und ein Gedanke. Berlin!
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