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Emanzipiert oder deutsch

■ „Bubikopf und Gretchenzopf“, eine Ausstellung zum Frauenbild der 20er

Flapper und Fliegerin, Garçonne und Vamp: das Bild der Frau in den Zwanziger Jahren ließ mehr Rollen zu, als je zuvor. Ob mit Bubikopf oder Locken – emanzipiert, sportlich und sexuell freizügig sollte die Frau sein, wie sie Zeitschriften und Film propagierten. In der Realität ließ sich dieses Ideal in den Großstädten, vor allem in Berlin, in Ansätzen realisieren, aber „Die neue Frau“ war schon damals eher ein Mythos von Film und Werbung.

Den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Weiblichen in der Weimarer Republik geht jetzt eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe nach. Mit 150 Fotos und Plakaten, Kleidung und Graphik und – neu in diesem Hause – zahlreichen Ölbildern wird auf Anregung der Kunsthistorikerin Susanne Mayer-Büser ein Wettbewerb dokumentiert, mit dem die Kosmetikfirma Elida 1928 das „schönste deutsche Frauenporträt“ suchte. Die Ausschreibung war mit der damals sehr hohen Summe von 10.000 Reichsmark dotiert und galt einem künstlerischen Ölbild aus der Produktion in Deutschland ansässiger Künstler jenes Jahres.

Dieser Wettbewerb war für Deutschland die erste werbestrategisch angelegte Imagekampagne einer Firma, „indirekte Reklame“ nannte man das damals. Obwohl die Leipziger Firma den selbstkre-ierten Typ des „Elida-Girls“ jahrelang und in bisher unbekanntem Ausmaß plakatierte, wurde das prämierte Bild nicht auf Plakaten verwendet, vielmehr schickte die Firma eine Ausstellung von 26 Originalen auf Tournee.

Der Wettbewerb wurde zu einer vieldiskutierten Bestandsaufnahme des Frauenbildes an der Grenze zwischen „Neuer Sachlichkeit“ und aufkommendem akademischen Konservativismus. Längst etablierte Kunstrichtungen wie Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus oder Konstruktivismus kommen nicht vor, ob sie unter den 365 damaligen Bewerbungen waren, ist nicht bekannt. Vermutlich erschien den Künstlern dieser Richtungen die ganze Veranstaltung nicht für ihre Kunst geeignet.

Der erste Preis ging an Willy Jaeckel (1888-1944) für sein „Stehendes Mädchen“. Das naturalistische Bild einer robusten, ziemlich durchschnittlich hübschen Frau von nebenan verbrannte 1944 im Atelier des Berliner Künstlers. Zu sehen ist daher ein 1934 vom selben Modell angefertigtes Sitzporträt. Den inzwischen neuen Herren im nationalsozialistischen Deutschland paßte der Typ des kräftigen, blonden „Jungmädels“ bestens in ihre Propaganda. Dienten Berufstätigkeit und Sportlichkeit in den Zwanzigern der Emanzipation der Frau, wurden in den Dreißigern genau die gleichen Werte in den Dienst von Rassehygiene, nationalem Aufbau und Volksgemeinschaft gestellt.

Die meisten Bilder der damaligen Ausstellung sind verschollen, nur noch fünf von ihnen waren heute noch aufzutreiben. Darunter auch die Dame im Pelz mit entblö-ßter Brust vom Münchner Maler Paul Mathias Padua, der später die NS-Parteiprominenz mit flachen Aktbildern versorgte.

Aus heutiger Sicht ist das vielleicht bedeutendste Gemälde „Lotte, die Berlinerin“ von Christian Schad (1894-1982), ein genau typisiertes Idealbild der Frau in den Zwanzigern. Und es gibt zu denken, daß am Ende des Ausprobierens so vielfältiger Typen der „Neuen Frau“ von „Garbo bis Lesbos“ das regressive Ideal einer „neuen deutschen“ Identität stand. Kann es da in Zukunft vielleicht wieder Vergleichbares geben?

Hajo Schiff

Museum für Kunst und Gewerbe, Eröffnung heute, 18 Uhr, bis 5. November; Katalog in der Edition Braus; 44 Mark

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