: Springer-Verlag provoziert Streik
■ IG Medien warnt vor Tarifflucht / Mehrere Springer-Zeitungen wollen dem Norddeutschen Verlegerverband den Rücken kehren Von Kai von Appen
Die IG Medien hat einigen Zeitungsverlegern im Norden massive Streiks angedroht, wenn der „Tariffluchtversuch“ der Unternehmen anhält. Vier Zeitungen, die ganz oder mehrheitlich dem Hamburger Springer-Konzern gehören – darunter die beiden größten schleswig-holsteinischen Traditionszeitungen „Kieler Nachrichten“ und „Lübecker Nachrichten“ –, haben zum Jahresende ihren Austritt aus dem Norddeutschen Verlegerverband angekündigt. IG Medien-Nord-Chef Günther Metzinger prognostiziert: „Einem klimatisch heißen Sommer werden ein tarifpolitisch heißer Herbst und Winter folgen.“
Als „Tarifflucht“ wertet die Gewerkschaft den Versuch vieler Verlage, geltende Tarifverträge zu unterlaufen und in ihren Betrieben und Redaktionen Tarifdumping einzuführen. Diese Entwicklung wird in der IG Medien mit Sorge und Argwohn verfolgt. Metzinger: „Mit zunehmender Wut beobachten unsere Mitglieder, daß immer öfter Arbeitgeber bestehende Pflichten aus den Tarifverträgen rechtswidrig nicht erfüllen oder jetzt sogar dem Arbeitgeberverband den Rücken kehren.“
Dabei bringt ein Austritt aus dem Unternehmerverband erstmal gar nichts: Denn nach „Paragraph 4 Absatz 5“ Tarifvertragsgesetz gilt der alte Tarifvertrag solange weiter, bis er durch eine andere Tarifvereinbarung ersetzt wird. Im Klartext durch einen Haustarifvertrag. Die Friedenspflicht hingegen erlischt bei Verbandsaustritt sofort, so daß die Gewerkschaft unverzüglich Kampfmaßnahmen einleiten kann.
Dennoch nimmt die IG Medien den Versuch der Tarifflucht sehr ernst und hat den Springer-Konzern unmißverständlich gewarnt. Metzinger: „Sollten die Verlage und andere Betriebe der Druckindustrie uneinsichtig bleiben, so würde die Unruhe in den Betrieben zwangsläufig über Aktionen zu Warnstreiks und Streiks führen.“
Bestrebungen der Tarifflucht gibt es auch in vielen Betrieben der Metallindustrie. Und auch hier macht sich die IG Metall Gedanken, wie solchen Ambitionen begegnet werden kann. Die IG Metall-Bezirksleitung „Küste“ im Hamburger Kurt-Schumacher-Haus denkt daher darüber nach, ob nicht prophylaktisch in allen Metallbetrieben im Norden eine betriebliche Tarifkommission gewählt werden sollte, um klarzumachen, woher der Wind weht.
Einerseits wird es zwar für die IG Metall nicht einfach sein, in allen Betrieben sofort Haustarife durchzusetzen, anderseits – und das könnte für die Metallbosse zum Rohrkrepierer werden – kann ein derartiges provokatives Vorgehen auch zur Mobilisierung der Belegschaften beitragen. Ein Insider: „Einige Kollegen werden dann schon aufwachen, wenn die Kollegen im Nachbarbetrieb etwas bekommen, nur weil sie etwas Rabbatz machen, während man selbst leer ausgehen soll.“
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