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„Historische Marktlücken“

■ Ausstellung: Nationalsozialismus im Kinder- und Jugendbuch

In den Glasvitrinen werden die Jahrzehnte anschaulich. Zwischen den geordneten Kinderbüchern liegt das Spielzeug der jeweiligen Ära: Roboter neben der Literatur der 70er, ein Monchichi im Schrank der 80er und der Gameboy inmitten der Bücher dieses Jahrzehnts. Bis zum 23. September stellt die Katholische Akademie in ihren Räumen unter dem Titel „Ehe alles Legende wird“ 600 Kinderbücher von 1945 bis 1995 aus. Sie alle behandeln auf denkbar verschiedene Art ein Thema: den Nationalsozialismus und das Leben im „Dritten Reich“.

Der 50. Jahrestag des Kriegsendes hat den Hitler-Faschismus wieder in die Diskussion gebracht. „Kinder und Jugendliche wurden dabei jedoch kaum angesprochen“, kritisiert Dr. Günter Gorschenek, Direktor der Katholischen Akademie. Deshalb hat er diese Bücherschau, die von Berliner Institutionen entwickelt wurde, für einen Monat nach Hamburg geholt. Heranwachsende ab elf Jahren, deren Eltern, aber auch Schulklassen finden hier statt trockener Faschismustheorien lesbare Bücher, in denen das Hakenkreuz zum Alltag gehört. Die Ausstellung versucht nicht nur die Jahrzehnte gegeneinander abzuwiegen, sondern vergleicht auch die bundesrepublikanischen Veröffentlichungen zu diesem Thema mit denen aus der DDR. Schon die Einführungstafel klärt den Besucher über die unterschiedliche Bereitwilligkeit der beiden Systeme auf, sich mit dem Faschismus auseinanderzusetzen. War beispielsweise die Zahl der Veröffentlichungen in der DDR zwischen 1945 und 1980 weitgehend konstant, so wurde in Westdeutschland erst ab 1950 und dann eher schubweise Kinderliteratur über die nahe Vergangenheit publiziert. Auch die Art der Behandlung unterschied sich grundlegend zwischen Ost und West. Während die DDR-Werke eher als „antifaschistische Widerstandsliteratur“ politisch wirken sollten, waren jene in der BRD von Verdrängung und Wiedergutmachung geprägt.

Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape erklärte in ihrer Eröffnungsrede, die Ausstellung würde in Hamburg eine „historische Marktlücke“ füllen und müsse daher wohl mit einem Ansturm von LehrerInnenanfragen rechnen. Oliver Wilking, als Grafik-Design-Student für die Gestaltung der Ausstellung mitverantwortlich, hat davon noch nichts gemerkt: „Bisher haben sich erst drei Schulklassen angemeldet.“

Timo Hoffmann

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