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Gelbe Tonne als Trickkiste

1996 hat die Grüne-Punkt-Firma DSD die Quoten für das Müllsammeln teilweise verfehlt. Konsequenzen hat das nicht  ■ Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) – Die Berliner Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU spricht zum Thema grüner Punkt eine deutliche Sprache: „Für Verpackungsmaterialen, die die Quoten nicht erfüllen, wird die Freistellung von der Rücknahmepflicht aufgehoben.“ Die Bewertung der Umweltverwaltung für 1996 ist ebenso klar: „Nicht erfüllt wurden die Erfassungsquoten für Kunststoff und Weißblech sowie die Sortierquote für Aluminium“, lautet ein Schreiben an das Parlament. Und trotzdem ist die Schlußfolgerung daraus: „Bei einer Gesamtbetrachtung sollte kein Widerrufsverfahren eingeleitet werden.“

Wie dem Berliner Senat ergeht es momentan vielen Landesregierungen. Weil 1996 zum erstenmal wirklich harte Quoten für Sammlung und Verwertung des Verpackungsmüll galten, hat der grüne Punkt beim Müllsammeln streckenweise versagt. Das Duale System Deutschland (DSD), Deutschlands mächtigster Recyclingkonzern mit vier Milliarden Mark Umsatz im vergangenen Jahr, hat die Umweltministerien der Länder mit allerlei Rechentricks bei den Mengenangaben verärgert – doch Konsequenzen daraus ziehen die Länder nicht. Denn als Sanktion sieht die Verpackungsverordnung nur die Abschaffung des Dualen Systems vor. Das aber will niemand.

Zum Offenbarungseid des DSD hätte es nach den Plänen des Bundesumweltministeriums gar nicht kommen sollen. Denn eine Novellierung der Verpackungsverordnung sollte 1997 rückwirkend für das Jahr 1996 die Quoten senken. Doch die Regelung scheiterte vorerst am Widerstand des Bundesrats. Deshalb galten für 1996 die harten Sammelquoten von 80 Prozent.

Vor allem in den Großstädten werden die geforderten Sammelquoten nicht erreicht. In Berlin lagen sie statt bei 80 nur bei 76 (Weißblech) beziehungsweise 72 (Kunststoff) Prozent. In Hamburg sammelte das DSD nach Angaben von Hans-Jürgen Rhein von der Umweltbehörde nur 66 Prozent der Kunststoffe ein. Nach Informationen der Bremer Umweltverwaltung „erreichen drei Länder die Erfassungsquote bei Kunstoffen nicht; bei Weißblech sind es zwei Länder und bei Aluminium und Verbunden je ein Land.“

Die Optimisten vom DSD kalkulieren anders: „Quote erreicht“, meldete DSD-Geschäftsführer Wolfram Brück bereits im Mai: 5,4 Millionen Tonnen Verpackungen habe DSD gesammelt, was 86 Prozent aller Verkaufsverpackungen auf dem deutschen Markt entspreche. Die Quote von 80 Prozent sei also erfüllt. Die Zahlen für die einzelne, zum Teil umstrittenen Fraktionen, gibt das DSD dagegen nicht heraus.

Doch genau da liegt der Hund begraben. Denn die Länder bestreiten die Zählmodelle des DSD: So rechne sich der grüne Punkt auch die Verwertung von Rohstoffen auf anderen Wegen zu, zum Beispiel die Wiedergewinnung von Alu und Weißblech aus der Schlacke von Hochöfen und Müllverbrennungsanlagen. Auch zähle DSD die Sortierreste, die am Band übrigbleiben. Als Ergebnis steht der DSD-Bilanz (Quote erreicht) die Bilanz der Länder gegenüber (Quote teilweise verfehlt).

Ungemach droht dem DSD von Rechts wegen auch an der Mehrweg-Front: Laut Verpackungsverordnung muß eine Pfandpflicht auf Einweggetränke-Verpackungen eingeführt werden, wenn bundesweit der Anteil der Mehrwegverpackungen unter 72 Prozent fällt. 1996 wurde diese magische Grenze mit 72,03 Prozent gerade noch erreicht. Doch der Trend geht zum Einweg.

Sanktionen hat der Müllkonzern von den Ländern dennoch kaum zu fürchten – obwohl Verbraucherschützer und Umweltverbände dem Müllsammler vorwerfen, Geld für nicht erbrachte Leistung einzusammeln. So kassiert das DSD nach Berechnungen des Berliner BUND jährlich 40 Millionen Mark zuviel, wenn es seine Quoten nicht erreicht. Doch die Verpackungsverordnung sieht als einzige Konsequenz aus der Nichterreichung der Quoten nur den ganz großen Hammer vor: Das Ende der Freistellung von der Rücknahmeverpflichtung des Handels für die Verpackungen und damit das Aus für das gesamte Duale System in Deutschland. Kleinere Strafen wie Auflagen oder Geldbußen sind dagegen nicht vorgesehen.

Doch den großen Knall wollen weder Bund noch Länder riskieren: Zu groß ist die Angst, plötzlich all die „Wertstoffe“ vor die Füße gekippt zu bekommen und das einmal erreichte ökologische Sammelbewußtsein der Bevölkerung zu enttäuschen. Zwar versuchen die Länder, das schlechte Ergebnis des grünen Punkts als Argument bei Verhandlungen mit dem DSD über Verbesserungen im Angebot zu benutzen. Doch ein wirkliches Drohpotential haben die Umweltministerien nicht, räumt man auch in der Berliner Umweltverwaltung ein. „Beim grünen Punkt heißt es immer entweder ganz oder gar nicht.“

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