: „Angst blockiert bloß“
■ Kinder wollen genau wissen, wie's um ihre Umwelt bestellt ist / Statt Panik zu verbreiten, sollten Perspektiven vermittelt werden Von Heike Haarhoff
„Mami, warum tanken wir nicht mehr bei Shell?“ „Müssen wir jetzt sterben, wenn die da diese Atomtests machen?“ „Wieso durften wir gestern noch im Eichbaum-See baden und heute nicht mehr?“ – Sie sind zwischen vier und 14 Jahren alt, stellen die hartnäckigsten Fragen und ihre Eltern, LehrerInnen oder ErzieherInnen vor Erklärungs-Probleme: „Kindern kann man nichts vormachen. Die wollen genau wissen, was mit ihrer Umwelt passiert“, weiß Regina Böttcher, Mutter von zwei sieben- und zehnjährigen Knirpsen. „Das Schwierigste dabei ist, wahrheitsgemäß zu antworten und gleichzeitig darauf zu achten, daß die Kinder nicht in Panik geraten.“ Denn: „Angst blockiert bloß. Wenn man nur zeigt, wie schlecht es um ihren Lebensraum bestellt ist, bekommen Kinder zwangsläufig das Gefühl der Hilflosigkeit vermittelt“, warnt Herbert Hollmann, Dozent am Institut für Lehrerfortbildung (Beratungsstelle Biologie und Umwelterziehung) in Hamburg. Statt dessen müßten „Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven“ aufgezeigt werden; viel zu lange hätten Pädagogen auf die Betroffenheits-Schiene gesetzt.
Mit dem Ergebnis, daß „Umweltbelastung und ihre ökologischen Folgen“ diejenigen Faktoren sind, die Kindern in Deutschland am meisten angst machen. Dies bestätigt eine repräsentative Umfrage unter 1000 Kindern zwischen sechs und 14 Jahren, die das Münchner Institut für Jugendforschung jetzt vorstellte: Danach fürchten Kinder besonders das Aussterben von Tieren und die steigende Luftverschmutzung. „Große Sorge“, so die Untersuchung, bereiten ihnen auch „eine mögliche Kriegsverwicklung Deutschlands“, wachsende Müllberge, die Angst vor einem Verkehrsunfall, einer schweren Erkrankung, Scheidung der Eltern oder Arbeitslosigkeit. Schlechte Schulnoten stehen dagegen – zum Glück – ganz unten auf der Angst-Skala.
Bei den norddeutschen Kindern ist die Angst vor Umweltproblemen, Gewalt und Bedrohung laut Studie stärker ausgeprägt als im Bundesdurchschnitt. „Diese Ängste müssen abgebaut werden“, sagt Herbert Hollmann und sieht die Lösung unter anderem in „konkreten Projekten, die Kindern und Jugendlichen beweisen, daß sie etwas verändern können“.
Hamburg bietet seit Jahren diverse Aktivitäten an, um Kinder frühzeitig für Umwelt- und Naturschutz zu sensibilisieren: Schulhöfe wurden entsiegelt und zum Schulgarten oder Biotop umgewidmet. Die Umweltbehörde startete im November 1994 den Modellversuch „Fifty-Fifty: Energie und Wasser sparen, Schulkasse füllen“, an dem sich bisher 23 Hamburger Schulen beteiligten. Wer besonders fleißig Energie und Wasser spart, wird belohnt: Die Hälfte der eingesparten Kosten steht den Schulen für Klassenfahrten oder Schulfeste zur Verfügung. Ausgeweitet wurde das Angebot des Umweltzentrums Karlshöhe, erzählt Regina Böttcher, die dort ehrenamtlich arbeitet: „Hier lernen Großstadtkinder, Natur, Insekten und Pflanzen wahrzunehmen. Später wissen sie dann, weshalb es sich lohnt, die Umwelt zu schützen.“
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