: Weihnachten zum Pfennigtarif
■ Billigspielzeug aus Fernost: Gearbeitet wird zu Pfenniglöhnen, aber die Industrie verspricht nun soziale Mindeststandards / Die Alternative: Faire Produkte aus Weltläden in Bremen und umzu
Weihnachtszeit. Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Kinder stehen wie paralysiert vor der glitzernden Ware, Eltern hetzen herzinfarktgefährdet durch die Innenstädte. Und die deutsche Spielzeugindustrie freut sich. Mit ihren Barbie-Puppen, funkgesteuerten Autos und Plüschtieren macht sie zwischen November und Januar knapp die Hälfte ihres Jahresumsatzes – 1996 waren es 5,8 Milliarden Mark.
So gesehen könnten am Heiligabend alle zufrieden sein: Die Kinder des Spielzeugs wegen, die Eltern der Kinder wegen und der Handel wegen der leeren Regale und vollen Kassen. Das Nachsehen haben die ArbeiterInnen in Fernost. Vergiftungen durch gefährliche Chemikalien, unzureichender Arbeitsschutz, exzessive Überstunden und Pfennig-Stundenlöhne sind laut dem katholischen Hilfswerk Misereor Aspekte der Billigproduktion von Spielzeug in China, Vietnam, Thailand und anderen Ländern Asiens, die 45 Prozent des deutschen Spielzeugs produzieren.
Auch die Arbeitsgemeinschaft Dritte Weltläden e.V. hat mit ihrer Aktion „Made in dignity – Hergestellt in Würde“seit einem Jahr die „unfairen Spielregeln“des Spielzeughandels im Visier.
Der europäische Verband der Spielzeugindustrie reagierte nun und formulierte eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Mindeststandards. Diese wurde auch von den deutschen Firmen, die aus China importieren – oder dort produzieren – unterzeichnet.
„Allerdings fehlen sowohl fundamentale Arbeiterrechte wie die Gewerkschaftsfreiheit als auch eine Überprüfung der Arbeitssituation durch eine unabhängige Kommission“, so Markus Frieauff, Geschäftsführer des Dritte Weltläden Vereins. Einen Schritt weiter ist da die amerikanische Spielzeugkette „TOYS'R'US“.
Seit 1997 ist ein Verhaltenskodex für die Lieferanten in Kraft, der unter anderem ein Verbot von Kinderarbeit, die Einhaltung lokaler Arbeitsgesetze und die Gewährleistung von Gewerkschaftsfreiheit vorsieht. Und das alles unter einer unabhängigen Kontrolle. Sollte dieser Kodex umgesetzt werden, so wäre das ein Novum in der Spielzeugbranche.
Eine Alternative zum üblichen Spielzeugladen bleiben trotzdem die Dritte Weltläden, die nicht gewinnorientiert arbeiten und ihre Produkte direkt vor Ort von KleinproduzentInnen oder Produktionsgenossenschaften beziehen. Das Spielzeug-Angebot – vorwiegend Tierfiguren, Stofftiere, Brettspiele, Holzautos – spricht aber wohl eher die Kleinen unter den Kleinen an; die Nintendo-Generation ist davon Lichtjahre entfernt.
Marco Klemmt
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