: Meisterliche Schirmjonglagen
■ André Hellers neue Show „Yume“präsentierte in der Stadthalle japanische Kleinkunst wurde zwei Tage lang in der Stadthalle aufgeführt
In seinem Roman „Musashi“erzählt E. Yoshikawa von einer Reihe heißblütiger Jung-Samurai einer Kampfschule, die einen umherziehenden Krieger zu einem Wettstreit herausfordern, und als Antwort von ihm nur eine Lotusblüte zugeschickt bekommen. Verächtlich halten sie diese Geste für unmännlich und feige. Lediglich ihr Meister sieht sich die Blüte genau an und erkennt an ihrer Schnittstelle, daß nur einer der besten Schwertkämpfer sie mit solch einem schnellen und perfektem Hieb abtrennen konnte, und daß seine Schüler nicht den Hauch einer Chance gegen ihn hätten.
Diese Episode bringt den Grad der Verfeinerung und der Reduktion, den die klassische japanische Kultur anstrebt, und der auch in der Show „Yume“spürbar ist, auf den Punkt. Zugleich beschreibt sie aber auch die Schwierigkeiten, die westliche ZuschauerInnen mit den Kunststückchen dieser asiatischen GauklerInnen haben könnten. Denn es wirkt auf den ersten Blick schon ein wenig befremdlich, wenn ein alter Mann uns als Meister angekündigt wird, und dann nicht viel mehr macht, als einen Ball auf einem Schirm zu jonglieren. Und dem Publikum stockt auch kaum der Atem, wenn drei junge Frauen einige Minuten lang Papier falten, und dann stolz ihre Origami-Tierchen ins Scheinwerferlicht halten.
André Hellers neue Show wirkt viel unspektakulärer als sein letzter Erfolg mit den „Begnadeten Körpern“aus China. Sie ist erstaunlich bescheiden für einen Mann, der sich sonst so penetrant als den großen Zampano stilisiert, und der als Krönung einer seiner früheren Shows einen Kunstfurzer präsentierte. Tänze, Zaubereien, kleine Kunststücke und extrem ritualisierte Theaterstile stellt er in 20 „Begegnungen“vor, die von einer Frauenstimme mit einigen Erklärungen und historischen Einordnungen anmoderiert werden. Feuertänzer, Schwerkämpfer, eine Trommlergruppe oder Kinder, die den „Tanz der schlauen Füchse“aufführen, zeigen in zum Teil prachtvollen Gewändern und Masken ihre Fertigkeiten. Auch wenn man nicht alles versteht, und erst recht nicht beurteilen kann, wie meisterlich das Gezeigte nun wirklich ist, beeindruckt dabei der konsequent durchgehaltene Stil der Aufführung. Als einziger Patzer stören nur bei einer Gruppe von Fahnentänzerinnen die Nylon-Bodys, die in der Edo-Periode des 15. Jahrhundert wohl kaum schon in Mode gewesen sein dürften.
Ansonsten aber überzeugt die Show mit einem minimalistischen und klug konstruierten Bühnenbild, einer raffinierten Lichtdramaturgie und der klassischen, japanischen Musik, die allerdings vom Tonband eingespielt wird. Und zumindest eine „Begegung“ist dann doch so neu und verblüffend, daß man sich immer wieder „Wie machen die das bloß?“fragt: Bei den Wasserspielen scheinen drei Frauen in Geishakostümen Wasser ganz nach ihrem Belieben umleiten, versiegen und wieder aufsprudeln lassen zu können. Der Strahl aus einer Fontäne sprudelt plötzlich und ohne abzubrechen aus einem Fächer oder dem in der Hand gehaltenenen Holzstab weiter. Natürlich wird dies mit vielen verborgenen Schläuchen und Ventilen bewerkstelligt, aber (wenn nicht geschummelt wird) ganz ohne moderne Hilfsmittel, denn diese Revuenummer wurde schon vor 500 Jahren am japanischen Hofe vorgeführt.
Wilfried Hippen
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