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„You ain't nothing like a chihuahua!“

■ Der heilige König von Mexiko El Vez zelebrierte im Moments seinen „Merry Mex-Mas“als Fest der Liebe

Ursprünglich sollten die Hl. drei Könige zu viert sein, aber es ist ein weiter Weg von Mexiko nach Bethlehem. So begab es sich vor 1997 Jahren, daß der vierte im Bunde, der King von Mexiko, nicht rechtzeitig ankam, um dem Erlöser mit seinen Kollegen ein Ständchen zu bringen. Dafür ist El Vez noch heute im Königsgeschäft. Er reist mit den „Memphis Mariachis“und den „Lovely Elvettes“um den Erdball, um den Völkern dieser Welt Liebe, Rock'n'Roll und Revolution zu bringen. Am Freitag missionierte er im „Moments“.

Schon als kleiner Bub, erzählte er, liebte er Weihnachten über alles. Er schaute sich alle Weihnachtssendungen im Fernsehen an und mußte immer bitterlich weinen. Wenn seine Mutter nach dem Grund fragte, schniefte er: „Es gibt keine Latinos in den Weihnachtssendungen!“Mama tröstete ihn und sagte: „El Vez, eines Tages wirst du dein eigenes Christmas Special haben!“Frau Mama sollte Recht behalten. Und das kostete er im „Moments“aus, indem er gleich die fehlende Latino-Quote bei den „Peanuts“anprangerte, wo die Comic-Clique mit Peppermint Patty doch sogar eine Lesbe in ihrer Mitte hätte. „Hey Charlie, I'm Brown“rezitierte er als lustig-pathetisches Beat-Gedicht mit jazziger Schlagzeug/Baß-Begleitung, per Stirnband verkleidet als Homeboy (“meine Worte sind meine Sprühfarbe, laßt eure Ohren meine Wände sein“). Dem verhaßten Charlie Brown widmete er auch noch seine „Hound Dog“-Version: „You ain't nothing but a chihuahua!“

Kindheitserinnerungen auch vor dem schönen Country-Stück „Oranges for Christmas“. El Vez' Oma hatte 32 Enkelkinder (“yes, she was very busy“) und wenig Geld. Sie konnte ihren Liebsten nur Orangen in Netzstrümpfen schenken. Solche bestrumpften Orangen hatten die beiden wahrlich liebreizenden Elvettes zur Demonstration mitgebracht und wirbelten beim Tanzen und Singen damit herum. An Requisiten mangelte es ihnen nicht. Für ein Cruising-Lied spielten sie neckisch mit zwei vor die Brust gehaltenen Lenkrädern Autofahren. Hätten sie vielleicht lieber lassen sollen, denn es kam, wie es kommen mußte: Einmal zu oft den Rück- als Schminkspiegel benutzt, schon gab es einen spektakulären Autounfall mit Stroboskoplicht und krachender Instrumentierung. El Vez kam mit angeklebten Flügeln auf die Bühne gestürmt und beweinte die verstorbenen Schönheiten. Aber sie erstanden wieder auf: ein Wunder! Zu Weihnachten ist alles möglich, zum „Merry Mex-Mas“sowieso.

Weihnachtslieder durften natürlich nicht fehlen. „I'm dreaming of a brown christmas, just like the ones in Mexico“, schmachtete El Vez. Oder er rotzte „Now I wanna be Santa Claus“, frei nach dem Stooges-Punk-Klassiker „I Wanna be Your Dog“. Weihnachtszeit sei Immigrationszeit, also wurde aus dem Refrain von „Suspicious Minds“ein euphorisches „It's immigration time!“Dazu ständig wechselnde weihnachtliche Kostüme vom roten Glitzeranzug bis zum weißen Jackett mit Marienbild auf dem Rücken. Ähnlich apart die Lovely Elvettes mal im kleinen Weißen, mal im kleinen Roten mit weißem Plüschkragen.

El Vez ist wie der Heiligabend selbst: Wer ihn nicht liebt, der hat nie zu lieben gelernt. Wehmut machte sich breit, als nach zwei Zugaben die Durchsage kam: „Ladies and gentlemen, El Vez has left the building.“Aber Verständnis hatte man schon. So gerne man den King ganz für sich allein behalten hätte, man mußte ihn ziehen lassen, damit er auch den Rest der Welt verbessern kann. Andreas Neuenkirchen

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