: Der Fiat-Wunscherbe ist tot
■ Jungmanager Giovanni Alberto Agnelli starb mit 33 an Bauchfellkrebs
Rom (taz) – Den Teens und Twens galt nicht nur Italiens galt er als Mann ihrer Träume. Für die Fiat-Dynastie war er der Hoffnungsträger, der Europas größten Familienkonzern im nächsten Jahrhundert modernisieren und zu weiteren Höhenflügen führen sollte. Den Gewerkschaften galt er als einer der wenigen modernen Kapitalisten mit großem humanitären Anspruch. Sogar die Grünen konnten ihm allerhand abgewinnen, seit er der Besetzung der Großstädte durch Autos mit der Renovierung des Motorrollers als Massenverkehrsmittel eine ökologische Konkurrenz entgegengesetzt hatte.
Doch nun ist alles vorbei: Mit gerade mal 33 Jahren ist Giovanni Alberto Agnelli gestorben, an einem Bauchfallkrebs, der erst durch Zufall vor einem halben Jahr erkannt worden war. Eine Operation in den USA hatte den Krebs nicht aufhalten können.
Kurz zuvor hatte der in den Vereinigten Staaten ausgebildete Sohn Umberto Agnellis, des Bruders von Fiat-Haupteigner Gianni, und der Erbin des Vespa-Unternehmens Piaggio, seine amerikanische Studienkollegin Avery Frances Howe geheiratet. Eine Tochter wurde vor drei Monaten geboren.
Daß er und nicht einer der Söhne von Fiat-Patriarch Gianni Agnelli, künftiger Chef der Holding mit mehr als 100 Milliarden Mark Jahresumsatz werden sollte, rührt von der besonderen Begabung und Ausstrahlung „Giovanninos“: Nicht nur ein Adonis vom Aussehen her, sondern auch intensiv musisch und literarisch interessiert – sein Lieblingsautor: Lord Byron – und daher allseits präsentabel.
Sportlich, aber nicht nur fußballnärrisch wie die ganze Nation, sondern auch skibegeistert. Vor allem aber ein harter Arbeiter, der sich incognito unter dem Namen Giovanni Rossi am Fließband von Industriebetrieben die Erfahrung aneignete, was Malochen heißt. Und dabei ein umsichtiger und auch knallharter Manager, der die jahrzehntelang in den roten Zahlen dümpelnde Fabrik seiner Mutter so gut sanierte, daß sie heute umgerechnet eine Milliarde Mark im Jahr umsetzt.
Geradezu ängstlich versuchte er, jeglicher Sonderbehandlung aus dem Weg zu gehen. Anders als viele Sprößlinge reicher Familien bestand er auf einen „normalen Wehrdienst“, den er aber bei der Polizeieinheit der Carabinieri ableistete – um am Ende sogar auf einem Poster Reklame für diesen Ersatzdienst zu machen.
Schon vor vier Jahren hatten Onkel Gianni und Vater Umberto der Öffentlichkeit Giovanni Alberto als künftigen Fiat-Chef vorstellen wollen, doch der hatte abgelehnt: „Dazu bin ich noch viel zu jung. Und außerdem muß ich erst Piaggio sanieren.“
Für Fiat wird es nun immer unwahrscheinlicher, daß im 21. Jahrhundert noch ein Agnelli an der Spitze des Weltkonzerns stehen wird: Einige des guten Dutzends Sprößlinge der insgesamte vier Agnelli-Geschwister wollen sich dem Totalverschleiß nicht stellen, den ein solches Unternehmen heute fordert, andere gelten auch den Eltern als nicht geeignet.
Und daß in Kürze ein Supermanager ins Unternehmen einheiratet, wie dies etwa bei Olivetti, Ferruzzi oder Pirelli geschah, ist auch unwahrscheinlich – alle Erben sind bereits „vergeben“. Werner Raith
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