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Linke im Crashtest

Italiens Linkspresse geht betteln: „L'Unita“, „il Manifesto“ und „Liberazione“ kämpfen ums Überleben  ■ Aus Rom Werner Raith

Schwere Zeiten für Italiens linke Presse: Nahezu alle einschlägigen Organe sehen sich nahe der Pleite. Am schlechtesten scheint es derzeit der kleinen, mittlerweile mehr als 25 Jahre alten il Manifesto zu gehen. Seit Wochen bettelt sie ihre Leser an: „Wir brauchen Fonds, die uns das Überleben für mindestens drei Jahre garantieren“, sagt Verlagsleiter Valentino Parlato, „sonst ist es besser, schon jetzt zuzumachen.“ Wenn bis Jahresende nicht 4.000 neue Abonnenten dazukommen, ist Schluß. Nichts genützt hat il Manifesto die innere Reform im letzten Jahr, in deren Verlauf mehr als ein Drittel der Redakteure zeitweise entlassen worden waren. Die Auflage, einst gut 60.000, ist auf 25.000 Exemplare gesunken – und nicht einmal die sind gesichert.

il Manifesto ist in guter Gesellschaft. Auch Liberazione, seit einem Jahr als Tageszeitung erscheinendes Sprachrohr der Neokommunisten, dümpelt in seichtem Wasser. Die als Herausgeber fungierende Parteileitung der Rifondazione comunista hat die Entlassung von mehr als der Hälfte der derzeit 57 RedakteurInnen und 22 TechnikerInnen angeordnet, weshalb die gesamte Belegschaft in den Ausstand trat und die Zeitung am vergangenen Mittwoch nicht erschien. Streikdrohung gibt es aber auch bei der größten linken Tageszeitung, L'Unita, einst von KP-Gründer Antonio Gramsci ins Leben gerufen, die inzwischen aber unabhängig von der KP- Nachfolgerin Demokratische Partei der Linken erscheint: Hier sollen 120 JournalistInnen und TechnikerInnen entlassen werden.

Doch die Malaise der Druckpresse betrifft nicht nur die linke Seite: Auch die großen Zeitungen, die in manchen Jahren Durchschnittsauflagen von mehr als 800.000 erreichten, wie der Corriere della sera und la Repubblica, sind heute schon froh, wenn sie die Dreiviertelmillion halten können. Doch anders als die kleinen gehören sie zu großen Mischkonzernen, die im Zweifelsfall immer wieder Geld zuschießen oder aufwendige Werbekampagnen starten können. Der Corriere della sera ist ebenso wie la Stampa Teil des Imperiums der Fiat-Familie Agnelli, la Repubblica untersteht einer Holding des Olivetti-Eigners Carlo De Benedetti, il Giornale gehört der Familie Berlusconi. Die Zuschüsse, die die Regierung allen Zeitungen je nach Auflagenhöhen zahlt, um den Kioskpreis für alle gleich zu halten, reichen als Überlebenshilfe längst nicht mehr aus.

Der Abfall der kleinen Linken geht jedoch weit über den Schwund der Großen hinaus. Das könnte auch an den immensen Geschenken liegen, die die Flaggschiffe der italienischen Tagespresse ihren Lesern inzwischen machen: la Repubblica leistet sich jeden Tag eine Beilage zu Themen aus Wissenschaft und Geschichte sowie eine Enzyklopädie; dienstags erscheint zusätzlich das 200-Seiten-Hochglanzheft D (für „Donne“, Frauen) und freitags das TV-Journal Venerdi. Der Corriere della sera konterte mit einer Medizinischen Enzyklopädie und Auszügen eines wissenschaftlichen Lexikons; donnerstags kommen Sette (Sieben) und TV-Sette dazu. il Messaggero,la Stampa und il Tempo, die nicht soviel Geld (und mit zwischen 200.000 und 500.000 eine niedrigere Auflage) haben, legen Hefte zur Archäologie und Kulturgeschichte bei, auch mal Geburtstagshefte für Fußballvereine oder Rennfahrer, vor allem aber Musikkassetten oder CDs.

Skurrilerweise hatte die linke l'Unita mit dieser Beilagenmanie begonnen — mit einer Serie von Kassetten berühmter Kinofilme, zuerst amerikanischer, dann italienischer Provenienz. Die Auflage hatte sich so zeitweise veranderthalbfacht. Doch die anderen zogen schnell nach, und die Unita sank wieder auf das angestammte Niveau von 130.000 ab. Mittlerweile ist man froh, wenn man durchschnittlich noch 100.000 erreicht.

Doch die Konkurrenzlage reicht zur Erklärung des Niedergangs linker Zeitungen nicht aus. „Ganz offenbar meinen die Leser, da wir nun eine linke Regierung an der Macht haben, brauchten sie sich nicht mehr so genau und umfassend zu informieren“, klagt Valentino Parlato, Chefredakteur von il Manifesto. „Dabei haben wir doch wichtige Auseinandersetzungen viel aktiver geführt als alle anderen Blätter.“ Tatsächlich reicht wohl auch das Argument eines Oppositionsbonus nicht aus: Berlusconis Kampfblatt il Giornale zum Beispiel, dessen Chefredakteur Vittorio Feltri einen erbitterten Kampf gegen die Regierung geführt hatte, sank nach einem kurzen Zwischenhoch auch wieder unter frühere Auflagenhöhen.

„Vielleicht“, sinniert eine il Manifesto-Redakteurin, „ist es auch einfach so, daß wir Schreiberlinge uns vom linken Normalverbraucher einfach wegentwickelt haben — oder er sich von uns.“ Mit dem Informationsfluß, soviel steht jedenfalls fest, zwischen einem Publikum und Journalisten, die sich als links verstehen, steht es derzeit jedenfalls nicht zum besten.

Il manifesto will auf seiner Betteltour in einem regelrechten Crashtest herausfinden, ob die Zeitung überhaupt noch von den Lesern verlangt wird: Eine der nächsten Nummern soll zum Einmaligpreis von umgerechnet 50 Mark auf den Markt kommen. „Dann werden wir ja sehen“, sagt Valentino Parlato, „wieviel wir der Linken noch wert sind.“

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