: Gekippte Utopien eines Farmers
■ Kunsthochschule zeigt Schau zu Ernst Mays Bremer Bauten
Erst bildeten seine Gebäuderiegel kühle Musterungen an Frankfurts Rändern, 1930 beteiligte er sich dreieinhalb Jahre lang aufbruchsgestimmt in der Sowjet-union am 1. Fünfjahresplan. Dann schien er genug zu haben von strengen Mauern aller Art: Vor den Nazis floh Ernst May nach Kenia. Er wurde Farmer. In den 50er Jahren durfte er wieder städtische Großflächen-Verwertung betreiben: In Bremerhaven-Grünhöfe, in der Bremer Vahr und bei der Neuen Heimat in Hamburg.
Der bedeutende Architekt der Ära der gleichgebürsteten Fließbandwohnungen ist eine tragische Figur. Was angedacht war als Anstoß zu einer gerechteren, besseren Gesellschaft wirkt heute wie ein Verwahrungsort aller Ausgestoßenen. Ein optisch aufdringliches Beispiel für ein technokratisches, einfühlungs-unwilliges, an menschlichen Bedürfnissen vorbeiplanendes, ungerechtes System. Mit dem autoerzwingenden Trennen von Wohnen und Arbeiten müssen sich heutige Verkehrsplaner und Ökologen herumschlagen.
Aber die Bewohner der Wohnbatterien rächen sich für die Nüchternheit ihrer wohnlichen Außenhaut gar grausam. Innen schwelt Plüschsofakitsch. Das und noch viel anderes über eine ambitionierte, aber gescheiterte Sozialphilosophen-Architektur zeigt eine schöne Fotoausstellung in der Hochschule für Künste. bk
Hochschule für Künste, Dechanatstr. 13, bis 23.12. und 27.-30.12, täglich 12-18 Uhr
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