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Das Gesetz der Serie wirkt auch bei eingecremten Schwiegersöhnen

■ Einkaufen mit 007: James-Bond-Regisseur Roger Spottiswoode hat „Der Morgen stirbt nie“ komplett auf Pierce Brosnan zugeschnitten

Als Pierce Brosnan vor zwei Jahren sein Bond-Debüt mit „Golden Eye“ gab, war man vor allem vom geleckten Teint und der gefälligen Körperbehaarung angetan. Brosnan sah aus wie ein wandelndes Herrenparfüm, wie der eingecremte Schwiegersohn aus Nachbars Garten, der in den USA zu Recht bei Beach Contests zum „schönsten Mann in Badehose“ gewählt worden war. Aber der ganz große Sex-Appeal fehlte, und für die nächste 007-Verfilmung hätten echte Bond-Fans lieber den tiefgrauen Sean Connery noch einmal in der Rolle des Agenten gesehen. So sind die Gesetze der Serie, man kennt das von William Shatner als Captain der Enterprise oder von Hans-Joachim Kuhlenkampff.

Daß Brosnan trotzdem für „Der Morgen stirbt nie“ ein zweites Mal an den Start durfte, liegt vermutlich daran, daß im Kino für derlei Sentimentalitäten in Sachen Besetzung kein Platz ist. Immerhin hat „Golden Eye“ über 350 Millionen Dollar eingespielt – sehr viel mehr als die schlechtgelaunten Vorgänger mit Timothy Dalton. Offenbar mag das Massenpublikum einen Schauspieler wie Brosnan, der sich mit Delphinen beschäftigt oder um obskure Organisationen wie „Women's Health Issues for the Permanent Charities of the Entertainment Industry“ kümmert. Immerhin ist Brosnan kein Scientologe.

Ansonsten hat man in „Der Morgen stirbt nie“ nichts zu befürchten, was nicht schon in einem früheren Leben mit Bond passiert ist. Interessante Waffen, hübsche Landschaften, stilvolle Atmosphäre. Heute ist sein Gegenspieler zwar kein liebevoll perverser Hund wie Gerd Fröbe mehr, und selbst der Russe spielt nur tumbe Nebenrollen. Dagegen hat es 007 nun mit einem Medienchef zu tun, in dessen Quotenallmacht sich die Ängste vor realen Decoder-Größen wie Leo Kirch, Ted Turner oder Rupert Murdoch spiegeln. Elliot Carver läßt britische Atomraketen stehlen, um sie über China abzuwerfen, damit er deren Rückschlag exklusiv im Fernsehen vermarkten kann. Weil Jonathan Pryce, der hier den irren Herrn der Bildschirme mimen muß, zuletzt jedoch so schön für „Evita“ gesungen hatte, möchte man ihn nicht wirklich hassen. Sein Befehl, Bond mit fernöstlichem Gerät lebend zu sezieren, verpufft dann schnell, und noch im Wahnsinn zum Finale klingt er very british, aber kaum bedrohlich.

Die Schurken, mit denen Regisseur Roger Spottiswoode den leisen Herrn Pryce munitioniert hat, sind allerdings extraklasse. Henry Gupta (Ricky Jay) ist ein pockengesichtiger Ex-Hacker aus Berkley, Götz Otto spielt mit prächtigen 1,99 Meter einen stahlspuckenden deutschen Söldner-DJ-Typen namens Stamper, der so vermutlich nur im Osten herumlaufen könnte, wäre Otto nicht aus einer Dietzenbacher Bäckerfamilie bei Frankfurt/Main. Daneben wieseln noch eine Menge arbeitslose Russen durch den Film, deren gebrummeltes Kauderwelsch ein wenig allegorisch von der babylonischen Vielvölkerei nach dem Ende der UdSSR erzählt. Den Rest des Films fahren sie vor allem Mercedes-Limousinen zu Bruch.

Der neue Bond, das merkt man schnell, ist zugleich Weiterführung und Parodie jener Klischees, die man in den 35 Jahren seit „Dr. No“ liebgewonnen hat. Spottiswoode hat seinen 007 zwar ordentlich mit Action-Szenen und Special Effects geschüttelt, doch am Mythos hat er nicht gerührt. Alles ist bloß ein bißchen wirklichkeitsbezogener: Statt exotischer Playmates gibt es dänische Betthupfer, und statt des silbernen Aston Martin muß James Bond einen 750er-BMW bei Avis mieten, weil heute eben alle möglichen Firmen den Film für Product- placement nutzen. Deshalb trinkt Bond nicht irgendeinen Wodka- Martini, sondern Smirnoff, seine Anzüge sind vom italienischen Herrenausstatter Brioni, und wenn er telefoniert, erkennt man das Markenzeichen von Ericsson am Handy.

Trotz all der Staffage bewegt sich Brosnan ungeheuer präzise zwischen Old-School-Distinktion und alltäglicher Vertrashung, so daß jedes edle Ding erst dann wie Ware wirkt, wenn er es aus der Hand gelegt hat. Mehr noch, während bei Connery früher die guten Manieren in Rabaukentum umkippen konnten, bleibt 007 in den 90er Jahren kühl und zeichenhaft. Darin kommt er wiederum einem Comic-Helden der Sixties ziemlich nahe, fast als wäre er Produkt und Pop-Artefakt in einem. Umgekehrt wurde ein Großteil der Höllen-Stunts schwer authentisch, nämlich von Brosnan und Michelle Yeoh, die ihn als chinesische Geheimagentin unterstützt, höchstselbst ausgeführt. In einem der unglaublichsten Momente sieht man sogar ihre Gesichter, während die beiden aneinandergekettet vom Hochhaus springen. Sie lächeln; später werden sie sich lieben. Harald Fricke

„007 – der Morgen stirbt nie“; Regie: Roger Spottiswoode; mit Pierce Brosnan, Michelle Yeoh, Jonathan Pryce u. a., USA 97, 120 Min.

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