: „Schön viele Lesben gibt's in Hamburg“
Israelische Lesben und Schwule auf Besuch in Deutschland ■ Von Clarissa Schnatz
Anat, Ofer und Yaron sind sich einig: Erstaunlich offen, warmherzig und unverkrampft seien die Begegnungen zwischen den TeilnehmerInnen der israelischen Delegation jüdischer Lesben und Schwuler und ihren deutschen GastgeberInnen in Hamburg und Berlin gewesen. „Aber“, sagt Yaron Moatti (26) und grinst, „eines hat uns doch geschockt: das Wetter!“
Zehn Tage lang besuchten 16 junge Israelis im Alter zwischen 19 und 27 Jahren Deutschland – viele von ihnen zum ersten Mal. „Natürlich gibt es auch in unserer Generation historisch bedingte Vorbehalte gegenüber Deutschen“, räumt Anat Kronenberg (27) ein. Aber die Neugier auf das deutsch-israelische Austauschprojekt der lesbisch-schwulen Anlaufstellen „Jugendverband Lambda Deutschland“und der SPPR Israel (Society for the Protection of Personal Rights) sowie das Interesse an lesbisch-schwuler Szene, Politik und Kultur in Deutschland überwog.
„Israel ist ein kleines Land mit einer kleinen Szene“, erzählt Yaron. „Wem es möglich ist, der zieht nach Tel Aviv.“Die europäisch orientierte, liberale Metropole gilt als Zentrum und Ausgangsort für lesbisch-schwule Aktivitäten. „Seit Anfang der 90er hat sich viel für uns bewegt“, berichtet Ofer Elison (26). Sogar die konservative Netanjahu-Regierung könne nicht hinter die Erfolge der vergangenen Jahre zurück.
Mit dem Gang durch alle Instanzen erkämpften sich AktivistInnen Rechtsgrundlagen, die Israel im Vergleich zu Europa in fortschrittliches Licht rücken. So darf niemand wegen seiner oder ihrer sexuellen Präferenz aus der Armee ausgeschlossen werden. Zugleich können Männer und Frauen, die den dreijährigen Militärdienst verweigern wollen, dies mit Homosexualität begründen.
Weit voraus ist Israel auch mit dem Recht für Lesben, via Gang zur Samenbank schwanger zu werden. Für solch künstliche Befruchtung müssen deutsche Lesben noch nach Holland reisen. Und bei der israelischen Fluggesellschaft El Al erstritten die LobbyistInnen die Gleichbehandlung von PartnerInnen homosexueller Angestellter. Für die nächsten Jahre hat sich die SPPR die Durchsetzung der Homo-Ehe und die Änderung des Kindschaftsrechts zum Ziel gesetzt.
Wie die Lage für Lesben und Schwule in Deutschland ist, erfuhren die jungen Israelis nicht nur bei Rathaus-Empfängen in Berlin und Hamburg, wo sie unter anderem vom schwulen GAL-Abgeordneten Farid Müller über die Hamburger Ehe informiert wurden. Auch die einschlägigen Lokalitäten dienten zur Recherche. „Schön viele Lesben gibt's hier in Hamburg“, freut sich Anat, und Ofer setzt nach: „Aber schreib auch, die Jungs sollen mehr ausgehen. Die Bars sind zu leer!“Und Yaron schmunzelt: „Und das Wetter zu schlecht!“
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