Auf Du und Du mit Gentech: Große Skepsis überall
■ CDU ließ bei Fachtagung die „Bio- und Gentechnologie“loben und preisen
Bernd Neumann macht sich große Sorgen. Sorgen um Deutschlands „Wettbewerbsfähigkeit“. Der Landesvorsitzende der Bremer CDU will die „Bio- und Gentechnik“zur „Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts“machen. Aber die Deutschen wollen irgendwie nicht, kritisierte der parlamentarische Staatssekretär im Bonner Forschungsministerium am Mittwoch abend auf einer CDU-Fachtagung. „Rückwärtsgewandte Grüne“würden mit Vorurteilen Stimmung machen. Jetzt gelte es, die „unsinnigen Diskussionen“ein für allemal „zu versachlichen“.
Dazu hatte die CDU drei Fachleute geladen. „Die Skepsis der Kunden ist groß“, sorgte sich Professor Lösche vom „Bremerhavener Institut für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik“. Genmanipulierte Lebensmittel kämen bislang nur bei der Hälfte der VerbraucherInnen an. „Das trifft natürlich nicht nur den Lebensmittelfabrikanten, sondern auch seine Mitarbeiter“, mahnte Lösche.
Dabei müßten die VerbraucherInnen doch nur „die Wichtigkeit der neuen Technologien erkennen“, appellierte er. „Wer weiß schon, daß Kartoffeln und Spinat richtige Gifte enthalten, die wir ungefährlich machen?“, fragte er. Bei den neuen Technologien gehe es doch nur um „mehr Sicherheit für den Kunden. Es gibt keinen anderen Weg, als mit den neuen Technologien diese ganzen Risiken zu beherrschen“, schloß er – und fügte hinzu: Außerdem könne die Gentechnik Reis vor Dürren und Schädlingen resistent machen, „und sie kann Reis wichtige Nährstoffe und Vitamine zuführen“, schwärmte er. Kurzum: Gentechnik bewältige die „größten Aufgaben des neuen Jahrhunderts“.
Risiken wie durch genmanipulierte Lebensmittel ausgelöste Allergien sowie ethische Abgrenzungsprobleme bei der gentechnischen Arbeit an menschlichem Erbgut wurden an diesem Abend nicht diskutiert. „Wir dürfen nicht immer nur über die Risiken reden“, wischte CDU-Landeschef Bernd Neumann diese Aspekte beiseite. Schließlich müßte ganz Europa genmanipulierte Lebensmittel jetzt kennzeichen. Außerdem würden „Risiken“in Deutschland ohnehin „optimal eingegrenzt“: Es gebe zum Beispiel die „strengsten Genehmigungsverfahren beim Bau von Forschungsanlagen“in Europa und der ganzen Welt. Trotzdem sei es notwendig, die Gesetze weiter „von lästigem Bürokratismus zu befreien“: Es gelte, die Genehmigungsverfahren für Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen weiter zu vereinfachen.
Zwischenfälle wie jetzt in Niedersachsen aber verschwieg Neumann: Dort hatten gentechnisch veränderte Rapspflanzen ihr Resistenz-Gen an normalen Raps in der Umgebung abgegeben. Landwirte können den VerbraucherInnen also nicht mehr garantieren, ob ihre Produkte genmanipuliert sind. Doch zu diesen Grenzthemen hatte die CDU keine Experten eingeladen. „Wir müssen jetzt die Chancen sehen“, beschwor Neumann. Natürlich stehe die CDU für Grenzen und damit „gegen das Verbot des Klonens von Menschen – Entschuldigung – für das Verbot des Klonens ein.“
Bei soviel Optimismus wagte ein Zuhörer bei der abschließenden Diskussion trotzdem noch etwas anzumerken: „Ich ärgere mich darüber, wie polemisch dieses Thema hier trotz aller fachlichen Ausführungen besprochen wird“, sagte der „aktiv an der Gentechnik beteiligte“Biologe. „Die Russen waren auch mal stolz auf ihre Atomkraftwerke, das hatte sich dann aber auch bald erledigt“, sagte er. „Wir müssen den VerbraucherInnen die Wahlmöglichkeit lassen“, beschwor ein anderer. Aber dann war die Zeit abgelaufen. „Hoffen wir also auf mehr Befürworter. Die Kritiker gibt es ja nur, weil sie nicht richtig informiert sind“, verabschiedete die CDU-Gesundheitspolitikerin Ulrike Schreiber die Menschen im Saal. Katja Ubben
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen