Geschlossenheit ist die neue Devise

Die CDU-Rebellen von Union 2000 haben von Eberhard Diepgen einen Maulkorb verordnet bekommen. Diskussion um Landesvorsitz und Führungsstrukturen sollen künftig jenseits der Öffentlichkeit geführt werden  ■ Von Barbara Junge

Vorerst ist Ruhe. „Wir wollen doch geschlossen ins Wahljahr 1998 gehen“, heißt es aus dem Kreis der Diepgen-Kritiker in der CDU. Union 2000, die führungskritische Sammlung rechts der christdemokratischen Mitte, die in den vergangenen Wochen Schlagzeilen machte, gibt sich so kurz vor Weihnachten versöhnlich.

Nicht ganz freiwillig sind die Forderungen nach der Ablösung Eberhard Diepgens als CDU-Landesvorsitzender verstummt. Der Regierende Bürgermeister und seine Führungsmannschaft haben den Kritikern den Kopf zurechtgerückt, heißt es aus der Partei. Ein Machtwort habe der Landesvorsitzende gesprochen und das Signal ausgesandt, auf das man in der Partei so lange gewartet habe: Er kandidiere im Februar wieder als Landesvorsitzender, die Ämtertrennung zwischen Bürgermeisteramt und Landesvorsitz sei politisch falsch, der Ort der CDU sei nicht rechts, sondern in der Mitte, und die öffentliche Diskussion habe nun aufzuhören.

Auf der öffentlichen Bühne gibt sich die Partei des Regierenden jetzt also wieder geschlossen. Innerparteiliche Auseinandersetzungen müßten schließlich innerparteilich geführt werden, heißt es plötzlich aus der Union 2000. Eine Ämtertrennung sei auch nicht zwingend, ist zu vernehmen. Auf jeden Fall – keine Diskussion mehr. Auch nicht um das Treffen des Regierenden mit den Wortführern seiner Kritiker.

Während aus der Parteiführung zu hören ist, Diepgen habe seinen kritischen Parteifreunden gesagt, sie sollten sich die Ämtertrennung aus dem Kopf schlagen, streiten die 2000er rundherum ab, daß es ein solches Treffen am vergangenen Wochenende überhaupt gegeben habe. Zwar werde es Gespräche geben, aber nicht in diesem Sinne.

Die Partei wird sich indes trotz des verordneten Maulkorbs, der sich auf sämtliche personellen und strukturellen innerparteilichen Diskussionen erstreckt, verändern. Die Diskussion um die Führungsstruktur in der CDU trägt nicht nur ein kleiner Haufen Diepgen-Kritiker. Zum einen ist die Besetzung allein von Union 2000 nicht homogen, dort diskutieren Leute miteinander, die sich früher nicht eines Blickes würdigten. Zum anderen bewegen auch auf dem liberalen Flügel der CDU die Themen innerparteiliche Demokratie und innerparteiliche Diskussionskultur die Gemüter. Die losgetretene Diskussion wird deshalb nur nach außen hin erstickt.

Die Mitstreiter von Union 2000 haben sich am vergangenen Wochenende zu ihrem weihnachtlichen Beisammensein getroffen und beschlossen, weiter an einer programmatischen Grundlage zu arbeiten. Ziel des Papiers: die Standortbestimmung der Sammlung, die Formulierung einer profilierten konservativen Position. Man wolle sich von Eberhard Diepgen nicht das politische Profil diktieren lassen.

Union 2000 stellt mehr als ein Drittel aller Kreisvorsitzenden, eingeladen wird weit über das eigene Spektrum hinaus, und auch aus der Führungsspitze der Partei folgt der eine oder andere mal einer Einladung der Parteifreunde. Dagegen schwindet – trotz des jetzt errungenen Rückzugs der 2000er – die Machtbasis von Eberhard Diepgens treuesten Kamerden: Verkehrssenator Jürgen Klemann wurde als Kreisvorsitzender in Zehlendorf demontiert, Gero Pfennig vertritt diesen Kreis nicht mehr als Bundestagskandidat, und Peter Kittelmann sitzt im fernen Europaparlament. Allein Klaus Landowsky ist unangreifbar und hält die Zügel fest in der Hand. Das Duo des liberalen Großstadtpolitikers Eberhard Diepgen und des Mannes fürs populistische Fach, Klaus Landowsky, funktioniert – so wie diese Aufgabenteilung seit Jahrzehnten das Erscheinungsbild der Berliner CDU prägt. Doch um einen allmählichen Generationswechsel kommt Diepgen nicht herum.

Die Vorstandswahlen im Februar bieten den geeigneten Rahmen: Auch wenn Diepgen – wie derzeit sehr wahrscheinlich – wieder als Landesvorsitzender antritt und – ebenso wahrscheinlich – auf keinen Gegenkandidaten trifft, soll der Landesvorstand auch Kritikern weiter geöffnet werden. Zwar sagt ein Mitglied der Parteiführung: „Mit dem Pankower Kreisvorsitzenden Martin Federlein sitzt ja ein Union-2000-Mann im Vorstand“, doch denen reicht diese Vertretung nicht aus.

Noch eine weitere Option hat die Parteiführung im Ärmel: Generalsekretär Gerhard Lawrentz hat bereits im November angekündigt, man müsse ihn schon sehr bitten, noch einmal zu kandidieren. Es sieht nicht so aus, als ob er Bittbriefe bekäme. Dann wird dieser Posten vakant. Wie aus Dipegen- Kreisen zu hören ist, kann man sich die Stelle als Friedensangebot an den rechten Flügel vorstellen. Die Geste wäre markant, denn nur der Landesvorsitzende allein hat das Vorschlagsrecht für den Generalsekretär.