: Roeder, Neonazis und die Bundeswehr
■ betr.: u.a. „Ruf der Bundeswehr soll gerettet werden“, taz vom 13./14.12. 97
Zunächst einmal möchte ich Euch für die detaillierte Berichterstattung zu den Verbindungen zwischen Neonazis und Bundeswehrkreisen loben. Besonders informativ: die Hintergrundberichte von Anton Maegerle, etwa der über rechte Aktivitäten von hochrangigen Ex-Militärs in der taz vom 8.12. 97. [...]
Zwei Punkte scheinen mir jedoch in der ganzen Debatte zu kurz zu kommen:
Zum einen die grundsätzliche Affinität zwischen Militär und rechten Ideologien (immerhin angedeutet in dem Interview mit Frank Rödiger, taz vom 13./14.12. 97). Eine Organisation, die auf Befehl und Gehorsam aufbaut und deren Zweck die Ausbildung zum Töten ist, steht schon per se im Widerspruch zu demokratischem Denken. Die Idee vom „Staatsbürger in Uniform“ (einmal vorausgesetzt, dieser sei wirklich gewollt) gleicht daher der Quadratur des Kreises. Und so ist denn auch von Leuten in meinem Bekanntenkreis, die die Bundeswehr durchgemacht haben, zu hören, daß menschenverachtende Sprüche und Denkweisen aller Art dort schon immer zum täglichen Umgangston gehörten. Daß dergleichen zunimmt, wenn Nationalismus und Rassismus allenthalben wieder salonfähig werden, ist nicht verwunderlich.
Wolfram Wette hat (in der taz vom 11.12. 97) zu Recht darauf hingewiesen, daß die Bundeswehr in Zeiten, in denen weltweite Kampfeinsätze „normal“ werden, in denen die Bundeswehr sich also bereit macht, für einen neuen deutsch-westeuropäischen Imperialismus, für Neonazis verstärkt an Attraktivität gewinnt. Dies führt zum zweiten Punkt, daß nämlich Projekte zur „Regermanisierung“ des Kaliningrader Gebietes offenbar nicht nur von hohen Militärs, sondern auch von politischen Stellen sehr wohlwollend betrachtet werden. Nur so ist es zu erklären, daß Roeder und sein „Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk“ soviel Unterstützung von allen Seiten erhielten. Er hat ja aus den Zielen des Vereins gegenüber niemandem ein Hehl gemacht und sie lediglich in ein gemäßigtes Vokabular verpackt. So konnten sich auch die Offziere an der Führungsakademie der Bundeswehr seine Ausführungen anhören, ohne daß ihnen etwas unangenehm auffiel. Bestrebungen, über deutschsprachige Minderheiten Einfluß auf osteuropäische Länder zu nehmen, sind ja nicht nur auf Neonazis beschränkt – siehe die Außenpolitik in bezug auf das ehemalige Schlesien. Hier wird der alte Vertriebenen-Revanchismus in die neue „Wir sind endlich wieder eine Weltmacht“-Politik überführt, die gegenüber den ehemaligen Warschauer-Pakt- Staaten zur Zeit nicht militärisch agiert, sich diese Option aber offenhält. (Die Osterweiterung der Nato steht dazu nicht im Widerspruch, im Gegenteil).
Daß niemand gewußt haben soll, wer Roeder ist bzw. daß dieser hinter dem „Gemeinschaftswerk“ steckt, ist nicht nur unglaubwürdig, es ist auch nebensächlich. Wichtiger ist, daß seine nationalistischen Inhalte und Ziele offenbar kompatibel mit denen der derzeit Regierenden sind. Es geht also um sehr viel mehr als um ein paar „irregeleitete“ Soldaten und „uniformierte“ Vorgesetzte. Jakob Michelsen, Hamburg
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