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Botha erhält noch eine Schonfrist

Südafrikas EX-Präsident gibt der Wahrheitskommission erneut einen Korb. Die erhebt Anklage, doch die Staatsanwaltschaft läßt sich damit Zeit bis Januar  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Südafrikas Wahrheitskommission hat gestern offiziell Anklage gegen den früheren Staatspräsidenten Pieter Willem Botha erhoben, weil dieser eine Vorladung zum dritten Mal nicht befolgte. Ob tatsächlich ein Verfahren gegen Botha eingeleitet wird, wird sich allerdings erst Anfang Januar herausstellen. Generalstaatsanwalt Frank Kahn in Kapstadt wollte gestern keine sofortige Entscheidung treffen. Botha erhält damit eine erneute Gnadenfrist, die ihm die Kommission eigentlich nicht noch einmal geben wollte.

Der 81jährige hätte gestern um neun Uhr Uhr morgens der Kommission in Kapstadt Rede und Antwort stehen müssen über seine Rolle im einstigen Staatssicherheitsrat. Statt dessen hielt sich Botha in seinem Alterssitz rund 500 Kilometer entfernt auf. Schon vorgestern erklärte sein Anwalt, sein Klient habe nicht die Absicht, gegen ein Gesetz zu verstoßen. Der Kommissionsvorsitzende Erzbischof Desmond Tutu war anderer Meinung. Gestern vormittag reichte er Klage ein. Wer eine Vorladung der Kommission, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Apartheid-Zeit untersucht, nicht befolgt, macht sich strafbar und kann zu einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft verurteilt werden.

Tutus Geduld mit dem greisen Ex-Präsidenten ist schon lange zu Ende. Nach dessen letzten Nichterscheinen Anfang Dezember scheiterte eine Anklage an einem peinlichen Formfehler. Monatelang hatten beide Seiten Katz und Maus gespielt. Wegen Bothas Alter und aufgrund seines prominenten Status' faßte ihn Tutu mit Samthandschuhen an. Um die Versöhnung zwischen den Rassen nicht zu gefährden, gab er Bothas Forderung nach, ihm vorab schriftlich Fragen zu stellen – ein Privileg, das sonst niemand genossen hat. Botha ließ der Kommission zwar 2.000 Seiten Antworten auf die Fragen übermitteln. Persönlich erscheinen wollte er jedoch nicht. Seit die Kommission vor fast zwei Jahren ihre Arbeit aufgenommen hat, hat Botha sie stets scharf angegriffen und als „Zirkus“ verhöhnt.

In der Nationalen Partei ist er damit der konsequenteste Verweigerer. Er streitet jede politische Verantwortung ab. Sein Nachfolger Frederik Willem de Klerk, der letzte weiße Präsident Südafrikas, war immerhin vor der Kommission erschienen, wenn er auch von Menschenrechtsverletzungen während seiner Amtszeit nichts wissen wollte. Vermutlich leidet Botha an ähnlichem Gedächtnisschwund. Als Staatspräsident in den 80er Jahren war er Chef des Staatssicherheitsrates, der für die Verhängung des fast permanenten Ausnahmezustands verantwortlich war.

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