: „Die Details der IWF-Auflagen müssen sicher neu diskutiert werden“
■ Yoo Tae Hou, Direktor am Wirtschaftsforschungsinstitut Daewoo in Seoul, glaubt, daß der neue Präsident noch etwas bewegen kann
Yoo Tae Hou ist leitender Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes Daewoo (Diri) in Seoul. Yoo und seine Mitarbeiter im Diri haben die Regierung schon vor einem Jahr vor der Schuldenkrise gewarnt. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler betrachtet das IWF-Paket als ein flexibles Instrument, das seiner Meinung nach tatsächlich noch hinterfragt werden kann.
taz: Herr Yoo, was gefällt Ihnen am neugewählten Präsidenten Kim Dae Jung?
Yoo Tae Hou: Kim hat einen entscheidenden Vorteil, er gilt in den Augen der Süd-Koreaner zwar als politischer Außenseiter, aber dafür auch als sauber. Kann er dieses Image bewahren, dann hat er die Möglichkeit, in diesem Lande etwas zu bewegen.
Die Wirtschaftskrise hat den Wahlkampf bestimmt. Wie beurteilen Sie das Wirtschaftsprogramm von Kim? Er will ja immerhin eine Million neue Stellen schaffen, die kleineren und mittleren Unternehmen stärken und das Durchschnittseinkommen der Südkoreaner innerhalb von drei Jahren auf 20.000 Dollar jährlich verdoppeln?
Diese Ideen sind illusorisch in einer Zeit, da unsere Wirtschaft mit Negativwachstum rechnen muß. Kim denkt noch in veralteten Kategorien, die davon ausgehen, daß in der Industrie Reformen notwendig sind. Davon muß er sich schnell lösen und erst mal den Finanzsektor in Ordnung bringen. Daneben ist die Reform des Arbeitsmarktes unbedingt notwendig.
Glauben Sie, daß Kim sich so wie angekündigt an die IWF-Auflagen halten wird?
Er wird diese so treu ausführen, wie jeder andere südkoreanische Politiker. Das heißt, viele Details sind noch lange nicht klar. Es ist auch wichtig sich vor Augen zu halten, daß die IWF-Experten vor etwas mehr als zwei Wochen hier angekommen sind und anhand des ersten Eindrucks ein Standardpaket geschnürt haben. Die Details müssen später sicher neu diskutiert werden, und in dieser Hinsicht lag Kim Dae Jung mit seinen kontroversen Äußerungen vor einer Woche gar nicht so falsch.
Sie und ihre Mitarbeiter haben schon vor einem Jahr vor der heutigen Krise gewarnt. Warum hat die Regierung Kim Young Sam damals nicht gehandelt?
Die Arbeiterunruhen zu Beginn dieses Jahres und dann der Hanbo- Skandal im März haben die Regierung Kim Young Sam vollständig gelähmt. Sie wurde handlungsunfähig und dann hat der Wahlkampf einschneidende Reformen verzögert. Schließlich hat auch der IWF die lauernde Krise zu lange unterschätzt, weil die Kriterien zur Länderbewertung hier in Asien teilweise falsch sind.
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