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Links reden, rechts handeln

Gesichter der Großstadt: Peter Lange ruft als FU-Präsidialamtsleiter die Polizei gegen protestierende StudentInnen, bleibt aber selbst gern im Hintergrund  ■ Von Ralph Bollmann

Er ist der meistgehaßte Mann bei den studentischen StreikaktivistInnen. Als sie Anfang Dezember das Präsidialamt der Freien Universität (FU) besetzten, dirigierte er per Handy den Polizeieinsatz. Als der Akademische Senat (AS) auf seinen jüngsten Sitzungen den Uni-Schrumpfplan beschließen wollte, zeichnete er für die Einsätze von Polizei und Wachschutz verantwortlich. Als die StudentInnen bei der entscheidenden Abstimmung dann doch im Saal bleiben durften und die Sitzung schließlich sprengten, hielt er es „für einen schweren strategischen Fehler des Präsidenten, daß er nicht gleich am Anfang klar Schiff gemacht hat“.

Anders als sein Chef, der FU- Präsident Johann W. Gerlach, neigt Peter Lange (48) nicht dazu, solch brachiales Vorgehen hinter wohlklingend-wolkigen Formulierungen zu verbergen. „Es geht nicht um Harmonie, sondern um klare Entscheidungen“, sagt der gebürtige Sauerländer selbst. „Man muß seine Rolle im klaren haben“, fügt er hinzu, „wer sich permanent bei den Studenten anbiedert, trägt nicht zu klaren Signalen bei.“ Und solche klaren Signale, meint er, hätten die StudentInnen bitter nötig. Sie seien „nicht gefestigt genug“, hätten „Sozialisationsprobleme“.

Langes Abneigung gegenüber „Gymnasiasten“ hängt auch damit zusammen, daß er selbst nie einer war. Mit 14 Jahren begann er seine dreijährige Lehre als Industriekaufmann und arbeitete anschließend fünf Jahre als Verkaufssachbearbeiter in der Stahlindustrie. Auf den Besuch von Abendrealschule und Fachoberschule folgte das Grundstudium an der Fachhochschule für Wirtschaft, das ihm 1976 den Wechsel an die FU ermöglichte. Dort machte er sein Diplom als Handelslehrer bei den Wirtschaftspädagogen, die inzwischen dem Rotstift zum Opfer gefallen sind.

Es war die Zeit des Studentenstreiks und der Basisgruppen, in denen der Endzwanziger kräftig mitmischte. Der damalige Wissenschaftssenator Peter Glotz führte 1979 die verfaßte Studentenschaft wieder ein. Im ersten Asta saß Lange zwar nicht, wohl aber im Studentenparlament. Schon damals zog er lieber aus dem Hintergrund die Fäden. Auch in die Theoriezirkel verlief er sich nicht, denn „ich neigte immer zu den etwas praktischeren Tätigkeiten“.

Als Dieter Heckelmann 1983 den Germanisten Eberhard Lämmert mit einem anonymen Zeitungsartikel aus dem Amt des FU- Präsidenten bugsierte und sich selbst an dessen Stelle setzte, absolvierte Lange gerade sein Referendariat am Oberstufenzentrum für Wirtschaft und Verwaltung. Doch nach dem Zweiten Staatsexamen 1984 kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die FU zurück, wo er sich alsbald in den Akademischen Senat (AS) wählen ließ. Inzwischen Mitglied der Alternativen Liste (AL), galt er als der Stratege ihrer Zusammenarbeit mit der rechten „Liberalen Aktion“ (LA) des FU-Präsidenten.

Auch wenn er sich nicht mehr dazu äußern mag, ob er Heckelmann bei der Nominierung zur Wiederwahl 1987 seine Stimme gab — die Kooperation als solche verteidigt er heute noch, wenn auch mit dem Zusatz, dabei „nicht federführend“ gewesen zu sein. Indem die LA-AL-Koalition die Zuständigkeit für die Geistes- und Sozialwissenschaften an linke Vizepräsidenten übertrug, sei es immerhin gelungen, diese Fächer vor übermäßigen Kürzungen zu bewahren. Unter anderem habe Heckelmann auch die Frauenforschung an der FU dauerhaft absichern müssen. Lange empfand die Zusammenarbeit als „angenehm“, weil die LA-Vertreter im AS „zu ihren Verabredungen standen“.

Die Alternative Liste sah das freilich anders und distanzierte sich 1988 ausdrücklich von Langes „Alternativ-Undogmatischem Mittelbau“. Undogmatisch, so befanden Kritiker, sei an Lange vor allem „seine Art, links zu reden und in entscheidenden Situationen rechts abzustimmen“.

Trotz aller zwielichtigen Kungelei des Duos Heckelmann-Lange gestehen auch die Kritiker von einst den „AL-Undogs“ heute rückblickend zu, daß es für eine pragmatisch-linke Fraktion zwischen den düsteren Seilschaften der Linken wie der Rechten kaum eine andere Möglichkeit gab, ihrerseits Pfründen zu erobern und die rigide Personalpolitik beider Seiten zu durchbrechen.

In dieser Beziehung jedenfalls war Lange erfolgreich: 1989 gelangte er ins FU-Präsidialamt, wo er zunächst zwei linken Vizepräsidenten als Persönlicher Referent diente, um 1991 zum Leitenden Referenten in der Zentralgruppe aufzusteigen. Als deren Leiter 1995 in den Ruhestand ging, vereinigte Lange kurzerhand die Kompetenzen beider Funktionen zum neu geschaffenen Amt des Präsidialamtsleiters.

Weniger Erfolg hatte Lange, als er sich im vergangenen Jahr um das Amt des FU-Kanzlers bewarb — der einzigen Funktion, die in der Verwaltungshierarchie noch über dem Präsidialamtsleiter steht.

So wird Lange vorerst mit dem Posten des Präsidialamtsleiters vorliebnehmen müssen — einer höchst einflußreichen Position, deren Inhaber indes nicht gewählt und daher der öffentlichen Verantwortung entzogen ist. Das gibt es in dieser Form an keiner anderen Berliner Hochschule. Lange sieht seine Funktion vor allem darin, „die Vizepräsidenten-Bereiche zu koordinieren“. Er profitiert damit von einer Machtzersplitterung, deren Architekt er in der Heckelmann-Ära selbst war.

Er sieht es als seine Aufgabe, „dafür zu sorgen, daß die Uni-Leitung handlungsfähig bleibt“ — auch gegenüber rebellischen StudentInnen. „Eine Institution, die Autonomie beansprucht, muß sich nach innen durchsetzen können“, sagt er, „sonst nimmt sie sich selbst nicht ernst“. Die Kritik von Bündnis90/Die Grünen – bei denen er immer noch Mitglied ist – wegen der jüngsten Polizeieinsätze weist er zurück. Für ihn offenbart dies nur das noch immer gestörte Verhältnis der Partei zur staatlichen Ordnungsmacht. „Diese Flucht vor der Verantwortung“, meint er, „hat etwas Unerwachsenes“.

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