Analyse
: UNO ohne Haushalt

■ Mitglieder gegen US-Erpressung

Bereits im ersten Amtsjahr von UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte die Zurückhaltung von 1,5 Milliarden Dollar Pflichtbeiträge der USA gravierende Auswirkungen auf die Weltorganisation. Die Folge waren weitreichende Einsparungen bei wichtigen UNO-Programmen für Umwelt, Soziales und Entwicklung, ein massiver Stellenabbau in der Informationsabteilung und anderen Bereichen des Sekretariats sowie Unfähigkeit, bei Mitgliedstaaten geliehene Gelder für friedenserhaltende Maßnahmen zurückzuzahlen. Für das Jahr 1998 gibt es nun nicht einmal auf dem Papier eine gültige Finanzierungsgrundlage. Zum erstenmal in der Geschichte der UNO.

Die Generalversammlung in New York konnte sich nicht auf die fällige Neufestsetzung der Beitragsanteile der 185 Mitgliedstaaten am regulären UNO-Haushalt für die Periode 1998 bis 2000 einigen. Die USA hatten eine schrittweise Verringerung ihres Anteils von 25 auf 20 Prozent zur Bedingung dafür gemacht, 819 Millionen Dollar und damit wenigstens etwas mehr als die Hälfte ihrer Altschulden zu bezahlen. Doch im Haushaltsausschuß der Generalversammlung haben sich Washingtons Diplomaten mit dieser Haltung inzwischen völlig isolisiert. Fast alle anderen Staaten – Deutschland und andere enge Verbündete Washingtons eingeschlossen – wollen sich nicht „finanziell erpressen lassen“ und bestehen auf der umgekehrten Reihenfolge: Erst muß Washington zumindest einen beträchtlichen Teil der Altschulden an die UNO-Kasse überweisen. Danach kann über die Verringerung der US-Pflichtanteile diskutiert werden. Verschärft wurde der Streit, als der US-Kongreß im November entgegen einer früheren Absprache mit der Clinton-Administration sogar die grundsätzliche Bereitschaft zur Zahlung eines Teils der 1,5 Milliarden Dollar Altschulden widerrief.

Für Annan bedeutet diese Entwicklung einen erheblichen Rückschlag. Von der US-Administration als Nachfolger des in Washington ungeliebten Generalsekretärs Butros Ghali auf den Schild gehoben, war Annan vor knapp zwölf Monaten mit dem Ziel angetreten, zunächst das Verhältnis zwischen UNO und USA und damit auch die finanzielle Situation der Weltorganisation und ihre Handlungsfähigkeit zu verbessern. Jetzt weiß Annan nicht einmal, ob er seine künftige Stellvertreterin sowie die zwei neuen Untergeneralsekretäre für Abrüstung und für Öffentlichkeitsarbeit bezahlen kann. Die Schaffung dieser drei neuen Stellen, die Annan Mitte Juli als Teil seines Reformpakets vorgeschlagen hatte, genehmigte die Generalversammlung Ende letzter Woche. In der Finanzabteilung der UNO wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen, daß bereits Anfang nächsten Jahres die Gehälter der rund 9.000 MitarbeiterInnen in den vier UNO-Sitzen New York, Genf, Wien und Nairobi nicht mehr voll ausgezahlt werden können. Andreas Zumach