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Glöckchen kling'

Es muß doch einmal furchtbar schön gewesen sein, irgendwann. Warum fallen uns bloß die bösen Feste ein? Un-Heilige Nacht im Keller, wo das enttäuschte Kind sich verkroch. Bitterer Streit mit den Eltern über Ur-Christentum und ekelhaft praktische Wollmützen. Aber das kam ja aus tiefem Glauben: Ohne den Schauer des Erhabenen hätten wir einander kaum die Schlittschuhe ins Gesicht gerammt. Es war die Nacht der Wunder. Oder die sollten was erleben.

Dann beschloß die WG, Weihnachten gar nicht, also nicht einmal nicht zu feiern. Weil der Wein nicht besonders sein durfte, war uns schon schlecht, als wir draußen rumzogen. Bigotter Schmus! riefen wir ins Kerzengedimmer; doch wehe, statt dessen flackerte TV: nichts als Platitüden!

Wer hat angefangen? Trixi bewarf eine Lichterkette, Mike witterte Rache, weil's von daheim keine Geschenke gab. – Nur weil ich Soziologie studiere, maulte Trixi. – Was hat denn das mit Weihnachten zu tun? – Nichts, drum war's ja so gemein. Mike selbst hatte sich der family seiner Neuen verweigert. Authentisch, volles Risiko. – Wovor kneifst du eigentlich? fragte Hilla. – Ich?! Was hat denn Weihnachten mit Schiß zu tun? – Nichts, ich dachte nur, so bald nach Marie ... Uli erläuterte das Wesen des Symbols. Karin verstand „Symptom“und bezog das Tabu der Entzauberung auf ihren unsauberen Teint; ein Wort gab das andere, aus „Aufklärer“wurde rasch „Hautklärer“.

Vergessen die bourgeoisen Heuchler. Wir waren beschäftigt. Hilla wurde geknebelt, als sie ein „Kling-Glöckchen-Klingeling“summte. Trixi zertrat einen Gartenzwerg und floh. Uli blutete. Karin fing spontan ein neues Leben an: nie mehr hauen und keine Kippen ins Altpapier. Mike, um ihr Ego aufzumuntern, nahm sie mit ins Bett.

Ich verkroch mich im Keller.

Susanne Marten

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