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Somalische Warlords schließen Frieden – ohne ihre Gegner

■ Kairoer Einigung auf Versöhnungskonferenz und Bildung von Übergangsinstitutionen ist ein Triumph für Milizenchef Aidid

Berlin (taz) – Es könnte der Durchbruch zum Frieden sein – oder der Auftakt zu einem neuen Bürgerkrieg. Somalia soll im Februar 1998 zum ersten Mal seit 1991 wieder eine Regierung bekommen und damit sieben Jahren Staatszerfall ein Ende setzen. Eine entsprechende Grundsatzerklärung wurde am Montag abend von den zwei wichtigsten Warlords Somalias nach monatelangen Verhandlungen zwischen 28 Clangruppen in Kairo unterzeichnet.

Der Erklärung zufolge tritt am 15. Februar im somalischen Baidoa eine 465köpfige Nationale Versöhnungskonferenz zusammen. Die Konferenz wählt einen 13köpfigen Präsidialrat, der aus seinen Reihen einen Staatschef bestimmt. Außerdem bestimmt die Konferenz eine Übergangsregierung und 189 Abgeordnete eines Übergangsparlaments. Im Jahre 2001 sollen Wahlen stattfinden. Ziel ist „ein föderales System“.

Unmittelbar wichtig ist, daß eine „gemeinsame Sicherheitskraft“ den Schutz der Konferenzteilnehmer von Baidoa garantieren soll. Es soll keine Clanmilizen oder Sondergerichte mehr geben – für Somalias Warlords bisher die beiden Hauptgaranten institutioneller Macht.

Das Abkommen beendet aber nicht die innersomalischen Rivalitäten. Es ist vor allem ein Sieg für Hussein Aidid, Sohn des von den USA erfolglos bekämpften Farah Aidid und einer der mächtigsten Warlords Somalias, dessen „Somalische Nationalallianz“ (SNA) den Süden der Hauptstadt Mogadischu und andere südliche Landesteile beherrscht. Wie von Aidid gewünscht, findet die Versöhnungskonferenz in dem von ihm beherrschten Baidoa statt – in ersten Überlegungen war von Bosasso die Rede gewesen, eine friedliche Hafenstadt an der Nordostspitze Somalias, wo die mit Aidid verfeindete SSDF („Demokratische Somalische Rettungsfront“) regiert. Aidid lehnte Bosasso ab – Baidoa stieß bei der SSDF und anderen Aidid-Gegnern auf Widerstand. Seinen Triumph sicherte Aidid dadurch, daß er seinen Hauptrivalen Ali Mahdi, der den Nordteil Mogadischus kontrolliert, auf seine Seite zog. Maßgeblich dabei waren die Clanältesten in beiden Teilen Mogadischus, die eine Wiedervereinigung der geteilten Stadt wünschen.

Mahdi ist eigentlich Mitglied einer Allianz von 26 Aidid-feindlichen Gruppen namens „Nationaler Rettungsrat“ (NSC), die sich im Januar in Äthiopien gebildet hatte. Mit Mahdis Annäherung an Aidid spaltete sich der NSC – zwei seiner Mitgliedsgruppen verließen die Gespräche in Kairo, und andere zeigten offene Skepsis. Am Schluß waren Aidid und Mahdi die einzigen Unterzeichner des Kairoer Abkommens. Mahdi unterschrieb im Namen des NSC.

Die in Baidoa vertretenen Clans werden voraussichtlich die Regierungsposten unter sich aufteilen. Nach informellen Absprachen stellen die Gruppen von Aidid und Mahdi jeweils 80 der 465 Konferenzdelegierten. Der Präsident soll ein Mitglied des Hawiye-Clans werden, dem Aidid und Mahdi beide angehören; da Aidid sich dem Vernehmen nach mit dem Posten des Premierministers abgefunden hat, wird Mahdi wohl Staatschef. Der Rahanwein-Clan, dessen Milizen Aidid bisher noch die Kontrolle um Baidoa streitig machen, darf einen Parlamentspräsidenten stellen. Dominic Johnson

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