: „Ihm mißfiel, daß ich Schachspielerin bin“
Die Russin Alisa Galliamowa trennt sich rechtzeitig von ihrem großmeisterlichen Ehemann Wassili Iwantschuk, erreicht das Kandidatinnenfinale der Schach-WM und ist bald selbst (Männer-) Großmeisterin ■ Aus Groningen Hartmut Metz
Nach dem Gusto von Gatte Wassili Iwantschuk wäre Alisa Galliamowa der Einzug ins Guinness-Buch der Rekorde verwehrt geblieben. „Ihm mißfiel, daß ich Schachspielerin bin“, erzählt die Großmeisterin der Frauenkategorie. Dabei habe ihr Noch-Ehemann selbst nichts anderes im Kopf. „Wassili lebt in seiner Welt des Schachs, und er begriff nicht, daß er eine Familie besitzt – Frau und Kind.“ Weil dann auch noch die Schwiegermutter im ukrainischen Lwow „störte“, zog Alisa Galliamowa die Konsequenzen und trennte sich von dem Weltranglisten-Sechsten. „Es heißt, daß gemeinsame Interessen Mann und Frau näherbringen und die Familie festigen, bei uns war genau das Gegenteil der Fall.“
Nur weil die Scheidung noch aussteht, bleibt das einstige Traumpaar eines Heeres von Schach-Ehen die Nummer eins der inoffiziellen „Doppel“-Weltrangliste. Auf zusammen 5.170 ELO- Punkte bringen es Iwantschuk (2.725) und Galliamowa (2.445). Mit deutlichem Abstand folgen ihre seit zwei Monaten verheirateten Nachfolger Joäl Lautier (Frankreich/2.660) und die Moldawierin Almira Skriptschenko-Lautier (2.385), die die 5.000er Schallmauer als zweites Paar durchbrechen. Knapp darunter liegen die US-Amerikaner Boris und Anna Gulko, vormalige Achscharumowa, und Juan Manuel Bellon/ Pia Cramling. Die spanisch-schwedische Großmeister-Kombination ist zwar die einzige, in der beide sogar den Titel der Männerkategorie tragen, krankt aber am Können Bellons, der deutlich schwächer als seine Frau spielt.
Der Weltranglistendritten geriet dies womöglich beim Kandidatinnenturnier der Frauen im niederländischen Groningen zum Verhängnis. Ausgerechnet die auf dem neunten und damit – nach der Aufgabe der deutschen Vertreterin Ketino Kachiani-Gersinska – letzten Platz liegende Nino Gureli (Georgien) besiegte sie zweimal und versalzte ihr so gründlich die Suppe. Gurelis Ehemann Zurab Sturua, immerhin die Nummer 87 auf dem Globus, gab als der stärkere Sekundant und den damit verbundenen besseren Eröffnungsvarianten den Ausschlag. Mit 8:8 Zählern muß die vor dem Turnier favorisierte Cramling alle Hoffnung fahren lassen, das Kandidatinnenfinale der Damen, in dem die Gegnerin von Weltmeisterin Zsuzsa Polgar ermittelt wird, zu erreichen.
Um den wichtigen zweiten Platz balgen sich noch Xie Jun (China/10,5) sowie die Georgierinnen Maja Tschiburdanidse und Nana Joseliani (10), die in den beiden letzten Runden noch teilweise aufeinandertreffen. Platz eins hat Alisa Galliamowa sicher. Mit 12,5 Punkten ist die Russin nicht mehr einzuholen. Dank ihres formidablen Resultats erzielte die 26jährige als erste Spielerin eine Großmeister-Norm der Männer in einem reinen Frauen-Wettbewerb. Der Weltranglisten-Achten fehlt nun nur noch eine zweite Norm, um den höchsten Schachtitel verliehen zu bekommen.
Obwohl Alisa Galliamowa einen historischen Rekord aufstellte, wurde ihr Noch-Ehemann in Groningen trotz viel schlechteren Abschneidens weit besser entlohnt. Für sein überraschendes Scheitern in zwei Begegnungen gegen Yasser Seirawan (USA) kassierte Iwantschuk 16.000 Mark, Galliamowa erhält für den Sieg nach 18 Partien 1.500 Mark weniger. „Peanuts“ im Vergleich zu den Summen, um die Viswanathan Anand und Michael Adams im Finale des K.o.-Turniers kämpfen. Der Gewinner bekommt eine Million Mark. Ob der Inder oder der Brite Weltmeister Anatoli Karpow vom 2. Bis 9. Januar in Lausanne fordert, war nach zwei Duellen noch nicht abzusehen. Beide Parteien setzten zwar mit den weißen Steinen den Kontrahenten unter Druck, kamen aber nicht über ein Remis hinaus. Die Unentschieden wertet Adams als Vorteil für sich. Sein vor dem Endspiel bei 10,5:19,5 stehender Score gegen Anand hatte kaum Anlaß zur Hoffnung gegeben. „In den beiden verbleibenden zwei Partien kann nun alles passieren“, sah sich der 26jährige Engländer vor Partie 3 jedoch im Aufwind.
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