piwik no script img

Irische Abrechnung

■ Die Ermordung Billy Wrights wird den Friedensprozeß nicht stoppen

Die Erschießung von Billy Wright, der nicht umsonst „King Rat“ hieß, war vor allem von persönlichem Haß geleitet. Gründe dafür gab es genug. Wright wählte seine Opfer vor allem nach einem Kriterium aus: der Religionszugehörigkeit. Politiker und Paramilitärs können sich gegen Anschläge schützen, eine katholische Krankenschwester kann dies nicht. Deshalb knallten in den katholischen Vierteln Nordirlands die Sektkorken, als Wrights Tod vermeldet wurde. Auch auf protestantischer Seite wird man bald zur Tagesordnung übergehen, auch wenn die Loyalist Volunteer Force (LVF), deren Anführer Wright gewesen ist, seit geraumer Zeit das Ende des nordirischen Friedensprozesses prophezeit.

Nicht nur die radikalen Katholiken der INLA und die IRA trachteten ihm nach dem Leben, sondern auch seine ehemaligen Kampfgenossen in der Ulster Volunteer Force, die ihn zum Tode verurteilt hatte. Natürlich hatte Wright auch Anhänger, die seinen Tod nun zum Anlaß nehmen werden, auf die Beendigung der Waffenruhe zu drängen. Auch wird es weitere Racheaktionen geben. Doch die Tränen, die nach LVF-Angaben am Wochenende auf den Straßen Portadowns vergossen wurden, werden schnell trocknen. Es sind keineswegs 70 Prozent der Protestanten, die an Wright glaubten, wie die LVF behauptete. Auf beiden Seiten sind es Minderheiten, die die Waffen wieder auspacken wollen.

Die INLA, die keine Waffenruhe eingegangen ist, sieht Wrights Ermordung als gelungenen Coup, hatte die IRA dasselbe doch mindestens sechsmal vergeblich versucht. Aber die Bedeutung der INLA und ihres politischen Flügels wird durch die Ermordung Wrights nicht größer. Daß sie zu spektakulären Einzelaktionen fähig ist, war bekannt, daß sie nach mörderischen internen Auseinandersetzungen und Spaltungen als ernstzunehmende politische Kraft seit Jahren ausgespielt hat, ebenfalls.

Dem Frieden droht von anderer Seite Gefahr. Während die paramilitärischen Organisationen der Loyalisten ungewohnt konstruktive Töne anschlagen, sabotieren die angeblich gemäßigten Unionisten die Friedensgespräche. In den beiden großen unionistischen Parteien, mit deren Führern er im vorigen Jahr noch gemeinsam aufgetreten ist, hatte Wright seine wahren Verbündeten. Er hatte die Drecksarbeit für sie erledigt. Ralf Sotscheck

Bericht Seite 5, Portrait Seite 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen