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Blondinenwitz im Fünferpack

1997 war das Jahr, in dem die Spice Girls über uns kamen. 1998 gibt es das visuelle Begleitmittel dazu. Der Film „Spiceworld“ stimmt auf die Europatournee ein. Mit Schirm, Charme und Bond-Ästhetik  ■ Von Daniel Bax

1997 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Spice Girls über uns kamen. Selbst wer ihre Musik konsequent mied, traf spätestens im Supermarkt oder im Kaufhaus doch auf die penetranten Gewürzgirlies: In Form von Spice-Girls-Parfüm, Spice-Girls- Puppen, Spice-Girls-Kuchen, Spice-Girls-Polaroidkamera, Spice-Girls-Tourvideo, Spice- Girls-CD-ROM (mit Tanzkurs) und Spice-Girls-Chips (in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen). Zigazig-Aaah: Jetzt droht auch noch der Film. Im Branchenjargon nennt man das Produktdifferenzierung. „Spiceworld – Der Film“ ist das visuelle Begleitmittel zur jüngsten Platte „Spiceworld“.

Die Handlung des Spice-Girls- Streifens ist schnell erzählt: Im roten Spice Bus (mit Union-Jack-Bemalung natürlich) kreuzen die fünf Mädchen durch die Gegend, tyrannisiert von ihrem cholerischen Manager (Richard E. Grant), der ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs deliriert. Als mysteriöser Boß im Hintergrund, der in Bond-Film-Manier unentwegt seinen Kater krault, gibt Roger Moore am Telefon kryptisch codierte Befehle durch, während allerhand abgehalfterte Popstars der zweiten Garnitur wie Gary Glitter, Bob Geldof und Meat Loaf durch die Szenerie spazieren. Auch Elton John, Bob Hoskins und Elvis Costello haben völlig überflüssige Kurzauftritte. Ein bißchen Beatles-Klamotte, ein wenig Bond- Ästhetik, mit Seitenhieb auf machtgeile Medienmogule und die Paparazzi-Pest sowie Persiflageszenen auf Hollywoodfilme wie „Speed“ und „Mission Impossible“ – das sind die wichtigsten Elemente des dünnen Drehbuchs. Den krönenden Abschluß bildet ein Auftritt in der Royal Albert Hall – ganz wie in der Bergarbeiterkomödie „Brassed Off“.

Schon das Spice Girl gibt es bekanntlich, zielgruppengerecht, in fünffacher Ausführung: Mal dunkel (Scary Spice), mal rothaarig (Ginger Spice), mal sportlich (Sporty Spice), mal snobistisch (Posh Spice) und mal infantil (Baby Spice) – die albernen Namen haben sich übrigens britische Musikjournalisten ausgedacht. Aber „diese Facts sollte man unbedingt wissen“, meint – nein, nicht die Bravo, sondern der Rolling Stone: Ausdruck fröhlicher Sprachregression, dem Sujet durchaus angemessen.

Und was ist mit der Musik? Die soll auch hier nicht weiter interessieren. Denn es ist offensichtlich, „daß dieses Phänomen mit mehr zu tun hat als nur mit Musik“, wie das WOM Magazin vorsichtig formulierte. Um genau zu sein, hat das Phänomen mit Musik eigentlich herzlich wenig zu tun. Eher schon mit nationalen Neurosen.

Very British, indeed: Der Wirbel um das Fräuleinwunder von der Insel ist Seelenmassage für das Mutterland des Pop, das mit den Erfolgsrezepten der Vergangenheit die verlorene Hegemonie auf den globalen Musikmärkten zurückzuerobern sucht: Weltherrschaft, mindestens – mit Schirm, Charme und Melodie. Was Britannien einst groß machte, kann schließlich auch heute nicht falsch sein. Ob das den Rest der Welt aber wirklich so beeindruckt, mag man bezweifeln. In Deutschland zumindest fand man den Tratsch um Tic Tac Toe bisher aufregender, auch wenn die wahrscheinlich nie auf dem Cover des Rolling Stone landen werden. Doch der englischen Öffentlichkeit bietet die Girlgroup die goldene Gelegenheit, sich endlich wieder im Licht einstiger Größe und vermeintlich weltweiter Bedeutung zu sonnen. Kein Wunder, daß die Spice Girls, neben Oasis, die unbestrittene Lieblingsband der britischen Boulevardpresse sind.

Sie sind einfach die perfekte Ergänzung zu Oasis: Genauso prolo, genauso retro, genauso Durch- und-durch-Old-England. Doch wo bei den leiblichen Brüdern Look und Sound noch schweißecht wirken, strahlt das gecastete Quintett im klinischen Glanz des vollsynthetischen Retortenprodukts. Wo bei Oasis erhabener Ernst dominiert – mit Sonnenbrillen, Parkas und tieffliegenden Hubschraubern –, pflegen die Spice Girls cartoonhaften Nonsens. Und posieren die ehrlichen Working-Class-Jungs für New Labour, so traten die fünf Ikonen kleinbürgerlicher Angestelltenkultur einen Wirbelsturm der Entrüstung los, als sie sich vor den Wahlen als Tory-Fans outeten. Der Fall wurde gar im Parlament debattiert – dabei war es bloß als müder Witz gemeint.

Bei manchen Pop-Puristen sorgen die Girls sogar für ausgewachsene Gewaltphantasien: Im Internet finden sich mehr als drei Dutzend Anti-Spice-Girls-Adressen, teils mit so netten Namen wie „Piss off Spice Girls“, „Spice Girls Must Die“ und „Spice Girls Kill Kill Page“.

Woher bloß die Aggressionen? Denn dafür, daß die Spice Girls das Gegenteil all dessen verkörpern, wofür Oasis stehen, müßte man sie eigentlich lieben – vorausgesetzt, sie wären eine wirkliche Alternative. Nur schmeckt die vorgeblich scharfe Girl Power so fade wie abgestandene Kartoffelchips: Mehr ein Blondinenwitz im Fünferpack als Revolution in Barbie-World. Dazu noch, zu allem Überfluß, das Pseudo-Multikulti der Siebziger: Wären sie wirklich up to date, müßte mindestens eine Asiatin mittanzen – ein arges Versäumnis, schon allein mit Blick auf neue Märkte! Im „Spiceworld“-Film spielt immerhin eine schwangere Japanerin mit, als „beste Freundin“ des Quintetts quasi das sechste, das Ersatz-Girl.

Als Appetizer für die kommende Europatournee, die 1998 auch Deutschland ins Spice-Girls- Fieber versetzen soll, kann man das lärmige Musikvideo im Spielfilmformat zwar wirklich nur hartgesottenen Spice-Girls-Fans empfehlen. Aber natürlich immer noch besser als ein Oasis-Film.

„Spice World – The Movie“. Regie: Bob Spiers, Musik: Paul Hardcastle, UK 1997, 97 Min.

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