: Die Auf- und AbsteigerInnen des Jahres 1997
Seit einem halben Jahr sind Bremens Schüler für ihn auf der Straße. In Regierungskreisen ist er immerhin „geduldet“. Ibrahim A., der 15jährige Flüchtling aus Togo. Der Zehntklässler aus der Kornstraße. Am 2. Dezember skandierten 1000 Mitschüler zu Samba-Rhythmen: „Was ihm in Togo droht/Ist Diktatur und Tod.“Und als er ans Mikro trat, sich klein, aber gar nicht schüchtern bedankte und bat „Sagt es noch einmal: Ibrahim soll bleiben“- da war der Begeisterungssturm größer als bei Michael Jackson auf dem Rathaus-Balkon.
Gewünscht sei ihm der Aufsteiger-Titel auch im Jahre 1998. Denn schon Ende Januar läuft seine Duldung aus. Dann stehen die Mitschüler wieder vor der Bremer Innenbehörde. Auf daß Ibrahim A. die 10. Klasse in Bremen beenden möge. Und man ihn noch in einem Jahr beim Abwasch in seiner Küche antrifft. Mit seinen Landsleuten Abass, Cäsar, Youyouari und Akibo.
Es ist eine Geschichte fast wie im Märchen: Vor noch nicht langer Zeit rappten die beiden Schwestern Derya und Sema Mutlu vor allem in Freizeitheimen ihres Nord-Bremer Heimatstadtteils Blumenthal. Doch im Sommer brachten sie unter ihrem Familiennamen Mutlu ihr Debüt-Album mit schwarzer Musik und deutschen Texten heraus. Kurze Zeit später tourten sie als Vorgruppe von Udo Lindenberg durch die Lande und standen mit dem etwas softer gewordenen Rock'n'Roller auch auf der Bühne.
Den Schneid haben sie sich dabei nicht abkaufen lassen – kein Wunder: Immerhin bringen sie deutschem HipHop den Soul bei und verabscheuen jede Form von Tralala. Dafür werden sie als die kommende Bremer Band gehandelt
Auf der Bühne sind Mutlu übrigens trotz ihres märchenhaften Aufstiegs in großen Hallen ebenso wie in kleineren Freizeitheimen zu erleben.
Helmut Pflugradt wähnte sich schon in dem Büro an der Ansgaritorstraße mit Blick auf die Dächer Bremens: Baustaatsrat Pflugradt – eine Karriere vom kleinen Finanzbeamten zum Staatssekretär hätte am Türschild stehen können.
Doch da kam ihm die CDU-Basis aus Schwachhausen in die Quere. Die CDU könne den Filz der Sozialdemokraten nicht weiter spinnen, rief der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Kleine der Menge zu. Qualifikation müsse vor Linientreue gehen. Die Basis jubelte. Der Fraktionsvize kapitulierte. Schuld war auch die böse Presse, die es gewagt hatte, darauf hinzuweisen, daß es mit seiner Qualifikation nicht zum Besten steht. Staatsräte sind in aller Regel studierte Leute, Pflugradts Erfahrungen mit den Bauwerken Bremens beschränken sich auf ein kurzes Gastspiel in der Baudeputation. Aber wer weiß, vielleicht reicht's ja irgendwann zum Bausenator. Der muß nicht studiert haben. Da reicht Linientreue.
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