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Bierdose gegen Flasche

Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Der Verdrängungswettbewerb auf dem Biermarkt führt dazu, daß es weniger Brauereien gibt, dafür aber mehr Dosen  ■ Von Udo Lang

Berlin (taz) – Hopfen und Malz ade – der Bierdurst der Deutschen läßt nach. Brauereien verzeichnen quer durch die Republik sinkende Absätze. Der jährliche Pro-Kopf- Verbrauch ist 1997 auf 131,7 Liter Gerstensaft gesunken, 10 Liter weniger als 1990. „Der Biermarkt in Deutschland ist gesättigt, und der Wettbewerb wird schärfer“, sagt Erich Dederichs, Sprecher des Deutschen Brauer-Bunds. Grund: ein allgemeiner Trend zu kalorienarmer Ernährung. Gerade junge Leute setzten lieber auf neumodische „Energy-Drinks“. Leere Geldbörsen in Folge steigender Arbeitslosigkeit verstärkten den Abwärtstrend beim Bier.

Umsatzzuwächse können nach Angaben des Brauer-Bunds nur Firmen erzielen, die flexibel agierten – ein Verdrängungswettbewerb mit immer mehr Opfern: Derzeit gibt es noch 1.234 überwiegend kleinere und mittlere Brauereien in Deutschland; 1992 waren es noch hundert mehr gewesen. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gaststätten (NGG) fürchtet bis zum Jahr 2000 den Verlust von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen in der Bierindustrie. „Seit 1995 sind allein 5.000 Jobs abgebaut worden“, sagt Uwe Witt, zuständig für Getränkewirtschaft bei der NGG, und verweist auf die Überkapazitäten: 1996 produzierten die deutschen Brauereien 140 Millionen Hektoliter, von denen nur 108 Millionen abgesetzt wurden.

Vor allem Großbrauereien versuchen mit exotischen Marken dem sinkenden Bierdurst gegenzusteuern – wie die Hamburger Holsten-Brauerei AG: „Unser in Lizenz produziertes australisches Foster's kommt gut an, ebenso mexikanische Biere“, sagt Holsten- Sprecher Udo Franke.

Für Umsatzzuwächse setzen Großkonzerne wie Holsten oder die Dortmunder Actien-Brauerei AG (DAB) zunehmend auf den Export – und damit auf die umweltfeindliche Dose oder Wegwerfflasche. „In den meisten Ländern existiert kein geregeltes Mehrwegsystem wie in Deutschland“, so Dederichs vom Brauer- Bund. Zudem seien im Ausland Dosen häufig gefragt. In Rußland etwa gilt Dosenbier nach Auskunft von Holsten als „schick“. Über das Thema Dose sprechen die Firmen ungern. Keine Auskunft zum Anteil von Dosenbier gibt etwa die DAB, die in der Branche für ihr zu Discountpreisen verkauftes Dosenbier bekannt ist.

Auf der Strecke bleibt die Bierflasche. Im ersten Halbjahr 1997 nahm nach Angaben der Gewerkschaft NGG der Anteil von Einwegflaschen und Dosen auf 23 Prozent zu. Großkonzerne würden die Dosen zu Kampfpreisen auf den Markt drücken. Mittelständische, regionale Brauereien dagegen, die sich keine Dosenfertigung leisten können, werden immer häufiger vom Markt gedrängt. Weiteres Problem: Größere Einzelhandelsketten und Tankstellen würden nur bundesweit erhältliche Biermarken ins Sortiment nehmen. Allein seit 1993 verschwanden 30 mittelgroße Brauereien.

In Ostdeutschland ist die Nachfrage nach Dosenbier besonders groß. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wird die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote von 72 Prozent bei Getränken mit nur 58 Prozent deutlich unterschritten. „Dosenbier gab es in der DDR nicht, weshalb Verbraucher verstärkt aus purer Neugier darauf zurückgriffen“, erklärt Chris Melzer, Sprecher des Schweriner Umweltministeriums. Nach einigen Aufklärungskampagnen würden jetzt vor allem Jugendliche aber häufiger zu Mehrwegflaschen greifen.

Umweltschützer bemängeln statistische Schönheitskorrekturen. „Die umweltfeindlichen Bierfässer werden dem Mehrweganteil zugerechnet“, kritisiert Sören Janssen von der Initiative „Aktion Total Tote Dose“. Der Handlungsspielraum der Länder gegen die Dosenflut ist gering. Das rot-grüne Schleswig-Holstein etwa mit einem Mehrweganteil von nur 65 Prozent kann laut dem Kieler Umweltministerium kein Pflichtpfand einführen. Dafür müsse der Mehrweganteil unter den Stand von 1991 fallen.

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