: Die leise Post-Revolution
■ Auch der Hamburger Postmarkt wird dereguliert. Allerdings nur in kleinen Schritten. Post AG und Postgewerkschaft sind zufrieden
„Ändern? Nein, für den Postkunden ändert sich nichts.“Peter Lichter, Sprecher der Deutschen Post AG für den norddeutschen Raum, ist froh, daß die Öffentlichkeit von der klammheimlichen Revolution im Postmarkt kaum Notiz nimmt. Tatsächlich kann die Deutsche Post AG mit der seit Jahresbeginn geltenden Absenkung der Briefmonopolgrenze auf 200g (Briefe) und 50g (Infopost) gut leben.
Der rührige Postchef Klaus Zumwinkel ist über den in letzter Sekunde gegen den Widerstand der FDP durchgesetzten Postgesetz-Kompromiß ausgesprochen froh. Er lobte die „Planungssicherheit“, die ihm das neue Gesetz bis 2001 (voraussichtlich sogar 2003) verschafft. Die Post AG kann zudem im Geschäftskundenbereich endlich frei kalkulieren. Nicht wenige Insider sehen die Post AG, die bereits im Ausland mit Niederlassungen Fuß faßt, denn auch als den großen Gewinner des schrittweisen Abbaus des Postmonopols. Zumwinkel peilt denn auch eine Verdoppelung der Umsatzrendite von derzeit knapp 2 Prozent (über 600 Millionen Mark Gewinn 1997!) an: „Unser Ziel ist eine Umsatzrendite von vier bis fünf Prozent. Das ist anspruchsvoll, aber realistisch.“
Sogar die Gewerkschaft ist zufrieden, wie eine Sprecherin der Hamburger Postgewerkschaft betont: „Wir können mit dem neuen Gesetz sehr gut leben. Der drohende Crash-Kurs ist abgewendet. Wir gehen in einen fairen Wettbewerb.“Neben dem auskömmlichen Schutz des Briefmonopols zählt für die Gewerkschafter dabei vor allem die Sozialklausel, die es neuen Wettbewerbern verbietet, mit 610-Mark-Jobs gegen die Post anzutreten. Die Sorge war nur zu berechtigt. Im Hamburger Pizza-Service-Geschäft gibt es derzeit pro Lieferung gerade eine Mark – ein Hungerlohn, der nur mit Trinkgeld auszuhalten ist.
Für den Postkunden ändert sich also nichts? Falsch: Zumwinkels radikaler Sanierungskurs, der die Post innerhalb weniger Jahre von der Verlust- in die Gewinn-Zone beförderte, wird jetzt beschleunigt fortgesetzt. Zwar gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen – der Personalabbau geht jedoch mit jährlich fast 10 Prozent weiter. In einigen Hamburger Zustellbezirken wird im neuen Jahr zudem mit der Privatisierung der Paketzustellung experimentiert: Kleine Speditionen fahren Pakete im Auftrag der Post; ein Modell, das die Personalkosten ganz erheblich drückt und die Tarife im Transportgewerbe weiter absenkt – denn selbst die Postler verdienen immer noch mehr als der überwiegende Teil in dieser Billig-Lohn-Branche.
Weit direkter als von Stellenabbau und Lohnsenkung werden die Hamburger Postkunden aber von der radikalen Ausdünnung des Postamtnetzes betroffen. Langfristig will die Post die Zahl der althergebrachten Postämter auf ein Drittel der heute noch bundesweit 15.000 reduzieren. Neben 5000 Kernpostämtern sollen 5000 zusätzliche Postagenturen und Post-shops, meist als Teil eines Kiosks oder eines Ladens, Flächenpräsenz zumindest vortäuschen helfen. Einen Teil dieser Agenturen will die Post selbst betreiben. Eine Tochtergesellschaft hat dazu das Konzept der „PostPlus“-Filiale entwickelt, die nicht nur mit Zeitschriften und Lebensmitteln, sondern auch mit längeren Ladenöffnungszeiten und dem Komplettangebot der Postdienstleistungen aufwartet. In Niendorf (Ernst-Mittelbach-Ring), Jenfeld (Öjendorfer Damm) und Rissen (Wedeler Landstraße) sind erste PostPlus-Filialen bereits eingerichtet.
Vor allem im Hamburger Umland wird es allerdings ein wahres Postamtsterben geben. Einen gewissen Ausgleich sollen hier das rollende Landpostamt und das neue Paket-Mitnahme-Angebot „Freeway“bieten: Pakete nimmt seit kurzem jeder Paketbote mit – vorausgesetzt man gibt ihm ein Zeichen und hat bereits im Postamt eine entsprechende Paketkarte erworben (für 10, 100 und 300 Stück gibt es Mengenrabatt).
Im Geschäftskundenbereich dagegen expandiert die Post aggressiv. Die neu gegründete Tochter „Post-Expreß“will seit 1. Januar 1998 den Expreßgutmarkt aufrollen und an den bislang so erfolgreichen privaten Paket- und Kurierfirmen vorbei zum Marktführer aufsteigen. Doch nicht überall hat die Post schon gewonnen. In Elmshorn, Neumünster und Lüneburg haben findige Fahrradkuriere unter Berufung auf eine EU-Gerichtsentscheidung, die private Konkurrenz dann erlaubt, wenn die Staats-Post bestimmte Dienstleistungen nicht erbringen kann, das Briefmonopol geknackt.
So befördert der Elmshorner Kurierienst City Expreß Briefe im Standardformat ohne Gewichtsbegrenzung für 1 Mark, große Umschläge für 2,50 Mark – und liefert sie, anders, als es der Post möglich ist, am selben Tag aus. Die Post AG hat gegen diese Attacken aufs Briefmonopol geklagt – Anfang 1998 werden die ersten Urteile erwartet. Florian Marten
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