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Vom Sturm gekegelt

Aufgewühlte See spült junge Kegelrobben von ihrer Sandbank an die Küste von Sylt  ■ Von Heike Wells

Der Sturm der letzten Tage hat nicht nur so manchen Gegenstand davongeweht. Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer hat er auch Tiere vom Kurs abgebracht. So spülte das aufgewühlte Nordseewasser junge Kegelrobben weg von ihrem angestammten Liegeplatz, dem Jungnahmensand nahe Amrum und Sylt. Sie landeten am Strand von Hörnum auf Sylt oder auf der Hallig Süderoog. Auch auf Pellworm wurden zwei Kegelrobben gesichtet. Glück im Unglück für die Tiere: Alle waren offenbar alt genug, um selbständig im Wattenmeer zu überleben.

Richtig kritisch ist das kalte Nordseewasser für Kegelrobben nämlich nur in der ersten Lebenswoche: Dann hat der Körper noch nicht die Fettschicht aufgebaut, die im Wasser die notwendige Wärmeisolierung bietet. In den vergangenen Jahren kosteten Winterstürme immer wieder Jungtiere das Leben, berichtet Lothar Koch, Leiter des Kegelrobbenprojektes bei der Schutzstation Wattenmeer. Ohnehin werden jeden Winter nur wenige Kegelrobben im schleswig-holsteinischen Wattenmeer geboren. Nach Kochs Aussage waren es in dieser Saison bisher wahrscheinlich fünf.

Kegelrobben leben an den Küsten der Nordhalbkugel von Island und Kanada bis Frankreich. Im Wattenmeer vom niederländischen Den Helder bis zum dänischen Es-bjerg sind es nur rund 300 Exemplare. 30 bis 40 Tiere bilden den Bestand im nordfriesischen Wattenmeer, der einzigen Wurfkolonie Deutschlands. Daß ihr Lebensraum im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut ist, wissen Naturschützer schon lange: Die Sände vor Amrum, besonders der Jungnahmensand, sind in den letzten Jahren stark abgeflacht und werden bei fast jedem Hochwasser überflutet. Die jungen Robben werden häufig von der Strömung davongetragen.

Auch die Nordseeinsel Amrum bekam in diesem Winter Besuch von einer kleinen Robbe, allerdings schon Anfang Dezember. Mehrere Wochen lang hielt sich das Jungtier auf dem Kniepsand auf, zunächst mit dem Muttertier, dann allein.

„Kegelrobben brauchen bei Sturm einen hochwassersicheren Platz“, betont Koch. Vor allem aber brauchen sie Ruhe. Am Strand von Hörnum auf Sylt, wo die Strömung alljährlich Kegelrobben anspült, schützen Zivildienstleistende die Tiere vor Störungen. Wie am Montag dieser Woche, als ein erschöpftes Jungtier angetrieben wurde.

Die meisten Touristen seien gern bereit gewesen, auf die gewohnte Route beim Spaziergang zu verzichten, sagt der Biologe. Ein Blick auf das Tier war trotzdem möglich. Im gebührenden Abstand von 200 Metern hatten die Mitarbeiter der Schutzstation ein Fernrohr für Schaulustige aufgebaut. Die Verschnaufpause der Kegelrobbe war dennoch nur kurz. Schon am Dienstagmorgen paddelte sie wieder davon.

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