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Subventionierte Sterbehilfe für Bio-Bauern

Osteuropäische Konkurrenz treibt norddeutsche Öko-Landwirte in den Ruin  ■ Von Achim Fischer

Norddeutsche Öko-Bauern bekommen immer mehr Konkurrenz – von neuen Biohöfen in der eigenen Region, aber auch aus Osteuropa. Staatliche Subventionen haben dazu beigetragen, daß es ein Überangebot auf dem Markt gibt. Die Konsequenz: Die Preise für ökologisch angebautes Getreide fallen, viele Betriebe in der Region stehen vor dem Aus.

„Wir haben einen zunehmenden Wettbewerb im ökologischen Bereich“, erklärt Klaus Schneider-Reis, Vertriebsexperte beim Öko-Verband Bioland in Schleswig-Holstein. „Das ist im Prinzip nichts schlechtes. Das war immer Ziel der Umweltbewegung.“Wettbewerb unter den Biohöfen sollte dafür sorgen, daß deren Produkte auch bei Einhaltung ökologischer Mindeststandards für die VerbraucherInnen noch erschwinglich sind. Beim einfach anzubauenden Getreide ist der Konkurrenzdruck besonders stark. „Die Preise für Öko-Getreide nähern sich mittlerweile den Preisen für konventionelle Ware an“, so Schneider-Reis. Umweltorientierte Landwirte werden für ihren Zusatzaufwand zugunsten der Natur kaum mehr entlohnt.

Die Situation für Ökobauern hat sich seit Ende der 80er Jahre kontinuierlich verschärft. „Daß ein Rationalisierungseffekt kommen würde, war klar“, sagt heute der Vertriebsexperte. Nicht klar war jedoch, daß die Zahl der Anbieter und die Gesamtgröße ihrer Anbauflächen derart zunehmen würden. Subventionen der EU und mehrerer Bundesländer motivierten viele Landwirte, auf umweltgerechten Anbau umzustellen. Dazu kamen nach der Wende riesige Flächen in Ostdeutschland, deren Betreiber häufig auf Öko-Anbau setzten. Und, jüngster Schlag für die heimische Landwirtschaft: Immer mehr Bio-Bauern aus Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakischen Republik drängen auf den hiesigen Markt.

Mit Preisen, bei denen kaum ein westdeutscher Landwirt mithalten kann. 90 bis 100 Mark erzielten schleswig-holsteinische Produzenten Ende der 80er Jahre für den Doppelzentner Getreide. Jetzt sind es noch etwa 60 Mark, erklärt Schneider-Reis. Und der Hamburger Vollkornbäcker Thomas Effenberger berichtet, seit zwei Jahren „ständig“Angebote für weniger als 50 Mark zu bekommen.

Trotz der niedrigen Preise tragen die Ostprodukte ihre Öko-Etiketten in der Regel zu Recht. Greenpeace spricht von „exzellenter Qualität“der Ware. Wenig umweltgerecht sind allein die weiten Transportwege. „Für die Umwelt ist es eine gute Nachricht“, sieht Greenpeace die Vorteile des Öko-Anbaus im Osten jedoch eindeutig überwiegen.

Auf 20 Prozent schätzt Schneider-Reis das derzeitige Überangebot an Bio-Getreide auf dem deutschen Markt. Dennoch verspürt er „keine Jammer-Stimmung“. Denn: „Es war immer unser Ziel, eine größere Flächendeckung für die ökologische Landwirtschaft zu erreichen.“Zudem könnten die Betriebe im Westen „dem Druck etwas entgehen, indem sie sich Marktnischen suchen, etwa beim Gemüse“.

Oder indem sie ihre Produkte besser vermarkten. „Es wurde zunächst nur die Umstellung gefördert, aber nicht die Vermarktung“, kritisiert Vollkornbäcker Effenberger. Statt sich um kontinuierlichen Absatz zu kümmern, versuchten viele Landwirte, ihre Ware mit Tiefstpreisen zu verschleudern. Solange die zeitlich befristete Förderung läuft, legen viele Bauern die Zuschüsse auf ihren Verkaufspreis um – und können die so subventionierte Ware billiger als ihre Konkurrenten anbieten. „Viele Betriebe, die lange am Markt waren“, prophezeit Effenberger, „können da nicht mehr mithalten und werden bald pleite gehen.“

Die Verbraucher werden von dem Preisverfall kaum etwas merken. Die Produktionskosten der Biobäcker werden nur zu einem geringen Teil durch den Getreidepreis bestimmt. „Selbst wenn sich der Preis halbieren würde“, so Effenberger, „würde sich das nur mit einer Ersparnis von maximal zehn Prozent im Endpreis auswirken.“Das hat auch seinen Vorteil. Denn so kann Effenberger seinen Stamm-Lieferanten aus dem Hamburger Umland nach wie vor existenzsichernde Preise zahlen – ohne daß seine Bäckerei zur Apotheke wird.

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