: Verspätete Bohemiens, türlos, ermattet, aber schön
■ „Santiago“und „World/Inferno Friendship Society“gelingt in der Buchtstraße Bemerkenswertes: Fröhlichkeit ohne doof zu sein
Weil ihr Tourbus ein paar Tage vorher eine Tür eingebüßt hatte, mußte die „World/Inferno Friend-ship Society“aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn noch einen kleinen Umweg machen. So standen zu einer Zeit, als das Konzert eigentlich schon begonnen haben sollte, die Jungs und Mädels auf der Bühne und machten den ebenso obligatorischen wie nervenden Soundcheck vor Publikum. Konnte sich also glücklich schätzen, wer gewohnheitsbedingt oder sonstwie zu spät kam.
Die erste Band, Bremens neue Gitarrenhoffnung „Santiago“, hielt sich beim 'one, two, check' gnädigerweise etwas zurück. Ihr Debüt vor bremischem Publikum litt in Folge dessen leider auch ein wenig unter dem Sound. Gitarre und Bass, die im klassischen 'Laut/Leise/Verzerrt/Unverzerrt'-Wechselspiel glänzten, hätten schon ein wenig dominanter sein dürfen. Davon abgesehen, rsp. –gehört, konnte an Santiago seine Freude haben, wer Bands wie Bitch Magnet und Seam mag oder sich für The Notwist erwärmen kann. Santiago sind dabei allerdings weniger kompliziert als erstere und ein Stück sperriger als letztere. Zwischen herbstlich verhangenen Songs und schrägeren Noise-Eskapaden spielt die Band durchaus souverän, auch wenn es etwas komplizierter wird. Hier dürfen Hoffnungen investiert werden.
Danach gab nun also die World/Inferno Friendship Society das letzte Konzert ihrer Tour. Es seien fünf anstrengende Wochen gewesen, ließ die Band verlauten. Schön war es trotzdem, und irgendwie schienen die acht MusikerInnen auch ihren Spaß zu haben. Ein bißchen Feuerzauber, ein kleiner Ska, ein Lynyrd Skynyrd-Riff, Posaune, Klarinette und eine Tuba als Bass-Instrument, ein bißchen Dreigroschenoper, ein bißchen Talking Heads, von diesem noch und von jenem auch. Eklektizismus! Und fröhlich war's, aber nicht auf die doofe Tour. Diese Leute wissen zuviel, um noch zu glauben, daß die Welt schön ist, und die Menschen gut sind. Der Sänger war früher in einer Punkband und sang manchmal Bruce Springsteen-Songs, hey, aber eigentlich ist er ein Hipster, ein Bohemien, deshalb trinkt er auch Wein, kein Bier. Deshalb trägt er auch einen Anzug und hat die Haare angegelt. Deshalb ist er auch eher Conferencier als Frontmann. Deshalb wagt er auch mal ein ausgelassenes Tänzchen mit seinen Mitmusikerinnen, und deshalb darf die Musik auch mit einer gewissen Schlampigkeit gespielt werden. Eine äußerst sympathische Band. Leider war nur das Konzert ziemlich kurz, sei es wegen Müdigkeit, sei es, weil es vielleicht bei der World/Inferno Friendship Society immer so ist. Mit denen hätten wir es vermutlich locker bis Sonnenaufgang ausgehalten. Hoffentlich ein andermal. Andreas Schnell
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