: Hochwasser von Somalia bis zum Atlantik
Nach Ostafrika leidet jetzt auch das Kongo-Flußbecken unter massiven Überschwemmungen nach starken Regenfällen. Kisangani im Osten Kongos stand tagelang ganz unter Wasser, es wüten Durchfallkrankheiten ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Die Flutkatastrophe in Ostafrika weitet sich aus. Nach Monaten überdurchschnittlichen Regens, der erst jetzt nachläßt, sind in der gesamten Region vom Süden Sudans bis nach Malawi Straßen und Ernten beschädigt, Krankheiten breiten sich aus. In Somalia wurden zwei Millionen Menschen wegen der Fluten obdachlos, in Kenia 300.000 und in Uganda 175.000. In Somalia, Kenia, Uganda und Tansania sind jeweils mehrere hundert Menschen an Cholera gestorben.
Die starken Regenfälle in Ostafrikas Gebirgsketten haben nun auch den Kongo und all seine Zubringer anschwellen lassen, so daß es bald quer durch das Zentrum Afrikas bis zum Atlantik zu Hochwasser kommen könnte. Obwohl das Kongo-Flußsystem auf einer Länge von Hunderten Kilometern vor allem aus trägen Wasserläufen in sumpfigen Regenwäldern besteht, verzeichnen jetzt sogar Vororte von Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, Flutschäden.
Im Kongo-Flußbecken haben die schwersten Überschwemmungen bisher in Kisangani gewütet, Hauptstadt der nordostkongolesischen Provinz Orientale (früher Haut-Zaire) und mit 600.000 Einwohnern größte Metropole der Region. Nach Weihnachten stand die gesamte Stadt tagelang unter Wasser. Die schwerste Flut seit Jahrzehnten hat die Stadt verwüstet, 14.000 Menschen sind obdachlos geworden. „Das Wasser ist jetzt erheblich gesunken, aber noch nicht wieder normal“, berichtet Christoph Klitsch-Ott von Caritas International. In der Stadt seien „nach wie vor viele Gebiete noch mehr oder weniger überschwemmt“, und da die gesamte Kanalisation wochenlang unter Wasser stand, sei die Seuchengefahr erheblich. „Die Stromversorgung ist noch nicht wiederhergestellt, die Wasserversorgung nur teilweise, was zu einer ganzen Reihe von Durchfallerkrankungen geführt hat.“ Etwa hundert Menschen seien bereits daran gestorben.
Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef vom Sonntag, wonach eine Cholera-Epidemie ausgebrochen sei und bis dahin 211 Todesopfer gefordert habe, werden weder von Caritas noch von Ärzte ohne Grenzen (MSF) bestätigt. Die Cholera wütet jedoch nach Angaben von MSF in zwei Militärlagern, wo Soldaten der ehemaligen zairischen Armee und gefangengenommene Rebellen zwecks „Umerziehung“ und Eingliederung in die kongolesische AFDL-Armee leben. Die Rebellen gehören zu den sogenannten Mayi-Mayi – diversen Stammesmilizen, die im Osten Kongos gegen die neue Regierung kämpfen und zu großen Teilen aus Kindern und Jugendlichen bestehen. Von den 4.000 Insassen des Mayi-Mayi- Lagers, berichtet MSF, seien 300 unterernährt und sichtlich geschwächt, etwa 900 litten an Durchfallerkrankungen, darunter auch Cholera. Die WHO spricht von 800 bestätigten Cholerafällen und glaubt an eine hohe Dunkelziffer. Weder hier noch in dem Lager mit früheren zairischen Soldaten, das 3.000 Insassen hat, dürften auswärtige Organisationen direkt helfen, sondern Kranke würden in ein besonderes „Cholera-Camp“ von MSF verlegt. Dort sind seit Ende Dezember etwa 500 der insgesamt 7.000 Lagerinsassen behandelt worden. „Seit dem 27. Dezember sind in den Lagern 50 Menschen gestorben“, sagt MSF-Mitarbeiter Luc Karthaus.
Die Versorgung der Region ist wegen des Hochwassers nur aus der Luft möglich. Hilfsgüter müssen aus dem 2.000 Kilometer entfernten Kinshasa eingeflogen werden. Die Regenwalddörfer außerhalb Kisanganis sind größtenteils komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Und inzwischen drohen neue Gefahren: In Kindu, 400 Kilometer flußaufwärts von Kisangani, steigt das Wasser wieder an. Am Wochenende dürfte das neue Hochwasser auch Kisangani wieder erreichen.
Die Fluten in der Provinz Orientale treffen eine Region, die in den letzten Monaten beträchtliche Anstrengungen zum Aufbau des Gesundheitswesens gemacht hat. Mit Unterstützung der Provinzregierung haben die Weltgesundheitsorganisation WHO und das UN-Kinderhilfswerk Unicef großangelegte Impfkampagnen durchgeführt, innerhalb deren bis Mitte Dezember fast alle Kinder gegen diverse Krankheiten geimpft wurden – wenn auch die amtlichen Angaben, die von Impfraten bis zu 103 Prozent sprechen, etwas übertrieben scheinen. Die WHO versucht auch, mit lokalen Selbsthilfegruppen ständige Koordinationsstrukturen auf Provinzebene aufzubauen.
Ohne diese Bemühungen wären die Folgen der Fluten in einer der ärmsten Regionen der Welt vermutlich noch weitaus verheerender gewesen. Kongos Regierung unter Laurent Kabila hat sich bisher darauf beschränkt, regierungsunabhängige Organisationen im In- und Ausland zur Hilfe aufzufordern, und der Region keine eigenen neuen Mittel zur Verfügung gestellt.
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